Was für eine Irrfahrt. Greta Thunberg entfacht einen medialen Flächenbrand und wird an den öffentlichen Pranger gestellt, weil sie Erste Klasse mit der Deutschen Bahn reist. Währenddessen fährt in Madrid ein anderer Zug ab – für uns alle, für einen entschlosseneren Klimaschutz. Nächster Halt: Klimakrise? Scheinbar egal. Möchtegern-Weltverbesserer, vermutlich Klimawandelskeptiker und auch Politiker steigen auf die fragwürdige Aufregung um eine 16-jährige ein, die nach monatelanger Reise, inklusive zweier Atlantik-Überquerungen mit einer Segelyacht, einfach nur nach Hause will. Statt sich einem echten Aufreger zu widmen.
Die 25. UN-Klimakonferenz in Madrid hatte unter anderem zum Ziel, konkret aufzugleisen, was schon vor vier Jahre zuvor mit dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde. Am Ende, mit rund 48 Stunden Verspätung, stand eine lächerliche Einigung, die von den Vertreter aus knapp 200 Ländern in einem zähen Ringen ausgehandelt wurde. Die Rede ist von einem Minimalkompromiss – und schon das ist ein Euphemismus, der eigentlich nur das Scheitern der Klimakonferenz schönredet. Wo bleibt der Aufschrei?
Ende der Durchsage
Noch nie waren die Warnungen der Wissenschaft drastischer, die Forderungen nach entschlossenem Klimaschutz lauter. Seit einem Jahr, Woche für Woche, gehen junge Menschen weltweit auf die Straße und prangern den unaufgeregten Umgang ihrer Regierungen mit einer Menschheitsaufgabe an. Eine von ihnen ist Greta Thunberg, 16, die führende Figur der "Fridays for Future"-Bewegung. Im August 2018 protestierte Thunberg noch allein mit einem Pappschild vor dem schwedischen Parlament, bevor sich Millionen Menschen ihrer Klimastreikbewegung anschlossen. "Ich mache das, weil ihr Erwachsenen auf meine Zukunft scheißt", erklärte sie einmal.
Viele dieser Erwachsenen dürften Thunbergs Verdacht mit ihren kleinkindlichen Quängeleien um eine irrelevante Bahnfahrt bestätigt haben. Sie fühlten sich von der Klimaaktivistin getäuscht, weil sie offenbar auf dem Boden eines ICE gesessen hat, obwohl sie einen Sitzplatz in der Ersten Klasse gehabt hat. Ganz nach dem Motto: Ha! Erwischt! Fake! Wie bestellt fragte "Bild"-Boulevardbeißer Franz-Josef Wagner: "Wie echt ist Greta?" Diese vermeintliche Nachdenklichkeit der Empörten wäre bei der Klimakonferenz besser aufgehoben.
Aber, okay: "Wie echt ist Greta?" Echt realistisch und rational, lautet eine Antwort. Greta Thunberg hat den Ernst der Lage begriffen – nicht zuletzt fährt sie genau deshalb mit der Deutschen Bahn, anstatt den Billigflieger zu nehmen. Zuvor ist Thunberg bei der Klimakonferenz in Madrid aufgetreten, um den Druck auf die Verhandler zu erhöhen.
Das soll eine Blamage sein?
Nein, das sind die wütenden Reaktionen der Schaumschläger auf eine unbedeutende Posse – statt auf das erbärmliche und folgenreiche Ergebnis der Klimakonferenz. Bei dieser Priorisierung von Problemen könnte man sich auch gleich ins Gleisbett legen. Ende der Durchsage.