Der iranische Oppositionsführer Mir-Hussein Mussawi hält offenbar trotz des immer härter werdenden Vorgehens der Regierung gegen Regimekritiker an seinem Kampf um die Präsidentschaft fest. Er sei "bereit, dafür zum Märtyrer" zu werden, erklärte der Politiker Anhängern zufolge bei einer öffentlichen Ansprache im Südwesten Teherans. "Wenn sie mich verhaften, dann sollten alle streiken und die Arbeit niederlegen." Zugleich bekräftigte er seine Forderung, die Präsidentschaftswahl für ungültig zu erklären und die Abstimmung zu wiederholen.
In einem Brief an den mächtigen Wächterrat schrieb Mussawi am Samstag, die Verfälschung des Wahlergebnisses sei Monate im Voraus geplant gewesen. Vor allem kritisierte er die Unterbrechung von Kommunikationsnetzen wie Internet und SMS am Wahltag und sprach von einem "empörenden Schritt". Mit seiner neuerlichen Kritik setzte er sich demonstrativ über Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hinweg, der als oberster Führer im Iran am Freitag das Wahlergebnis bestätigt und vor weiteren Demonstrationen gewarnt hatte.
Mit schweren Zusammenstößen in Teheran war der Konflikt um die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Samstag weiter eskaliert. Augenzeugen berichteten von massiven Auseinandersetzungen von Anhängern der Opposition mit Sicherheitskräften und Gefolgsleuten Ahmadinedschads. Über dem Revolutionsplatz sei dichter Rauch aufgestiegen. Dort hätten rund 3000 Mussawi-Anhänger demonstriert und "Tod der Diktatur" und "Tod dem Diktator" gerufen. Die Polizei setzte Schlagstöcke, Tränengas und Wasserwerfer ein und soll in die Luft geschossen haben, um die Menschen auseinanderzutreiben.
Polizei und regierungstreue Milizen hätten 50 bis 60 Protestierende so schwer verletzt, dass sie in das Imam-Chomeini-Krankenhaus gebracht werden mussten, sagten Augenzeugen. Mehrere blutende Demonstranten seien von Mitstreitern weggetragen worden. Einige der Protestierenden hätten daraufhin Motorräder der Milizen in Brand gesteckt. Hubschrauber kreisten über der Stadt, die Sirenen von Krankenwagen waren zu hören. Über dem Stadtzentrum war schwarzer Rauch zu sehen. Die Berichterstattung in- und ausländischer Medien wurde erneut massiv behindert.
Für eine weitere Zuspitzung sorgten Meldungen staatlicher Medien, wonach sich ein Selbstmordattentäter vor dem Mausoleum von Ajatollah Khomeini im Süden Teherans in die Luft gesprengt hat. Dabei sollen zwei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden sein. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Ob ein Zusammenhang mit den Massenprotesten besteht, ist unklar. Das Mausoleum des islamischen Revolutionsführers Khomeini gilt vielen Iranern als Heiligtum.
Nach Angaben von Augenzeugen kam es auch zu Zusammenstößen zwischen den Anhängern von Mussawi und denen von Ahmadinedschad. Auch die "Basidsch"-Milizen, die den Präsidenten unterstützen, waren im Einsatz. Ihre Gegner hätten eines der Gebäude der Milizen im Süden Teherans angezündet, hieß es.
US-Präsident Barack Obama zeigte sich unterdessen "sehr besorgt" über einiges im "Tenor und Ton" von Chameneis Ansprache am Freitag. Die Regierung in Teheran sollte "erkennen, dass die Welt auf sie blickt. Und wie sie mit den Menschen umgehen, die auf friedliche Weise versuchen, sich Gehör zu verschaffen, wird ... ein ziemlich klares Signal an die internationale Gemeinschaft darüber aussenden, was der Iran ist - und nicht ist", sagte Obama im Gespräch mit dem US-TV-Sender CBS.
Derweil erklärte sich der iranische Wächterrat zwar bereit, stichprobenartig zehn Prozent der Stimmen neu auszuzählen. Die beiden Zweit- und Drittplatzierten bei der Wahl, Mussawi und Mehdi Karrubi, kamen allerdings der Einladung des Rats zur Sitzung am Samstag nicht nach. Damit wollten sie nach Einschätzung von Beobachtern ihre Forderung nach Wiederholung der gesamten Wahl bekräftigen.
Auch Europaweit demonstrierten wieder Exiliraner gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads. In Hamburg, Frankfurt/Main und Stuttgart gingen am Samstag weit über tausend Menschen auf die Straße.