Ausland Veto spaltet die Bündnispartner

In einer zweiten Sondersitzung des NATO-Rats haben sich die Mitglieder erneut nicht auf Planungen zum Schutz der Türkei im Fall eines Irak-Krieges einigen können. Frankreich, Deutschland und Belgien hielten an ihrem Veto gegen einen Antrag der USA fest.

Die USA haben Frankreich, Belgien und Deutschland wegen ihrer Blockade der NATO-Planungen für Militärhilfen an die Türkei im Fall eines Irakkrieges nachdrücklich an ihre Bündnisverpflichtungen erinnert. Frankreich und Belgien hatten am Montag kurz vor Fristablauf ihr Veto gegen den Beginn entsprechender Planungen eingelegt. In einer Sitzung des NATO-Rates unterstützte dann auch Deutschland diesen Schritt, ohne selbst formell sein Veto zu erklären.

US-Außenminister Colin Powell erklärte: "Ich hoffe, der NATO wird klar, dass sie verpflichtet ist, einem Mitglied zur Seite zu stehen, das um Hilfe bittet. Wir müssen sicherstellen, dass die Türkei keinem Risiko ausgesetzt ist." Verteidigungsminister Donald Rumsfeld drohte, wenn es nicht bald zu einer Einigung komme, würden die USA der Türkei bilateral helfen. "Es ist sehr bedauerlich, dass die drei Länder im totalen Widerspruch zu ihren Verbündeten stehen", kritisierte Rumsfeld.

Stichwort: Patriot

Das Waffensystem "Patriot" dient der Abwehr von Flugzeug- und Raketenangriffen in mittleren und großen Höhen. Zu jeder Einheit gehören acht mobile Startrampen mit jeweils vier Flugkörpern. Die 5,3 Meter langen, 40 Zentimeter dicken und 900 Kilogramm schweren Flugkörper erreichen nahezu vierfache Schallgeschwindigkeit und können Ziele in einer Höhe bis zu 30 Kilometern und einer Entfernung von über 100 Kilometern treffen.

AWACS-Flüge und Patriot-Raketen für Türkei

NATO-Generalsekretär George Robertson hatte am Donnerstag einen Katalog von Maßnahmen zum Schutz der Türkei vorgelegt. Dabei geht es unter anderem um den Einsatz der NATO-eigenen Überwachungsflugzeuge vom Typ AWACS und um die von den Niederlanden mit deutscher Unterstützung bereits versprochene Stationierung von Patriot- Raketenabwehrstaffeln an der türkisch-irakischen Grenze. Robertson hatte vorgeschlagen, den Militärs den entsprechenden Planungsauftrag zu geben, sollte bis Montagmorgen kein Mitgliedstaat widersprechen. Dieses Verfahren der stillschweigenden Zustimmung ist in der NATO nicht unüblich. In jedem Fall ist jedoch Einstimmigkeit erforderlich.

Stichwort: AWACS

Die NATO verfügt seit 1982 mit technisch hoch gerüsteten Spezial-Flugzeugen über ein ausgeklügeltes Aufklärungs- und Frühwarnsystem: das «Airborne early Warning And Control System», kurz AWACS. Die als «Ausguck» der Allianz geltenden Maschinen zeichnen sich äußerlich vor allem durch ihren pilzköpfigen Radaraufbau aus. Mit diesem rotierenden «Riesenauge» können bis zu 400 Flugzeuge sowie Schiffe in einem Umkreis bis zu 500 Kilometern geortet, identifiziert und an Bodenstationen und NATO-Kommandobehörden gemeldet werden.

Veto aus Frankreich und Belgien

Die Botschafter Frankreichs und Belgiens legten, wie Belgiens Außenminister Louis Michel schon am Sonntag angekündigt hatte, rechtzeitig Widerspruch ein. In einer anschließenden Sitzung des NATO-Rates unterstützte auch Deutschland diesen Schritt, an dem es formal allerdings nicht beteiligt war. Seit mehr als drei Wochen blockieren diese drei Länder eine Entscheidung mit der Begründung, die NATO solle keine Beschlüsse in Bezug auf den Irak-Konflikt fassen, noch bevor der UN-Sicherheitsrat eine Entscheidung über das weitere Vorgehen gefällt hat.

Türkei verlangt Konsulationen der Bündnispartner

Nach der erneuten Blockade im NATO-Rat verlangte die Türkei Konsultationen der Bündnispartner unter Berufung auf Artikel 4 des NATO-Gründungsvertrags. Dieser Artikel verpflichtet die Allianz, auf den Wunsch eines Mitglieds Beratungen über mögliche Bedrohungen der Sicherheit, Unabhängigkeit oder territorialen Unversehrtheit eines NATO-Staates aufzunehmen. Solche Konsultationen, für die es kein festgelegtes Verfahren gibt, begannen bereits am Montag.

Weiteres Vorgehen der NATO unklar

Wie sich das Entscheidungsverfahren in der NATO weiter entwickelt, bleibt zunächst völlig unklar. Deutschland, Frankreich, Belgien und anfangs auch Luxemburg hatten bislang eine Befassung mit diesem Thema immer mit Hinweis auf die UN abgelehnt, ohne sich überhaupt inhaltlich zu den unterbreiteten Vorschlägen zu äußern.

Lieferung von Patriot-Raketen aus Deutschland sicher

Die Türkei wird trotz der Blockade im NATO-Rat deutsche Patriot- Raketen bekommen. Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums sagte am Montag, es bleibe dabei, dass die Raketen Ende der Woche auf dem Umweg über die Niederlande geliefert würden.

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