In der zentralasiatischen Republik Kirgisien hat die Opposition nach dem gewaltsam erzwungenen Machtwechsel eine Übergangsregierung gebildet. Die neue Regierung rief die Bevölkerung zur Ruhe auf, nachdem es in der Nacht in der Hauptstadt Bischkek schwere Ausschreitungen und Plünderungen gegeben hatte. Dabei wurde mindestens ein Mensch getötet. Kurmanbek Bakiew trat am Freitag vor seine Anhänger und erklärte, das Parlament habe ihn sowohl zum amtierenden Präsidenten wie auch zum Ministerpräsidenten der Kaukasusrepublik ernannt. Der bisherige Präsident Askar Akajew, dem seine Gegner Manipulation der Parlamentswahlen im Februar und März vorwerfen, war am Donnerstag mit bisher unbekannten Ziel geflohen. Kurz danach nahmen Tausende Oppositionsanhänger den Regierungssitz in Beschlag. Das Parlament ernannte am Donnerstag zunächst den oppositionellen Abgeordneten Ischenbai Kadyrbekow zum Übergangspräsidenten, an dessen Stelle nun Bakiew trat.
Ausschreitungen verurteilt
Zum neuen Innenminister wurde der nur Stunden zuvor aus dem Gefängnis befreite Felix Kulov berufen. Er verurteilte die Ausschreitungen in der Nacht. "Es wurde randaliert und geplündert, nicht anders als im Irak. Lasst uns der Welt zeigen, dass wir ein zivilisiertes Land sind", sagte er. Dazu haben die kirgisischen Behörden nach den blutigen Krawallen in der Hauptstadt eine Ausgangssperre für die Nacht auf Samstag verhängt. Von 18 Uhr Ortszeit bis 6 Uhr morgens sei die Bewegungsfreiheit in der Hauptstadt deutlich eingeschränkt, teilte das Innenministerium am Freitagabend mit.
Mit dem Ende des alten Regimes unter Präsident Askar Akajew quittierten viele Polizisten ihren Dienst. "Jetzt sorgen vor allem Freiwillige in der Stadt für Ordnung", sagte ein Sprecher des Innenministeriums der Agentur Interfax.
Kirgisien ist nach Georgien und der Ukraine die dritte ehemalige Sowjetrepublik, in denen sich Teile des Volkes nach dem Verdacht von Wahlmanipulationen erhoben und die Regierenden aus dem Amt gejagt haben. Doch nur in Kirgisien kam es dabei zu Gewalt. Nach Angaben Kulovs wurde nach vorläufigen Erkenntnissen bei den Plünderungen in Bischkek ein Mann erschossen. 31 Polizisten seien verletzt worden, davon einige schwer.
Blutlachen auf den Straßen
Nach den nächtlichen Ausschreitungen mit Hunderten von Verletzten blieb die Lage in der Hauptstadt Bischkek am Freitag ruhig. Die meisten Geschäfte im Zentrum waren geplündert worden. Nach vorläufigen Angaben wurden bei den Unruhen in der Nacht bis zu fünf Menschen getötet und etwa 370 Menschen verletzt. Während der ganzen Nacht waren Schüsse in der rund 800.000 Einwohner zählenden Stadt zu hören. Auf den Straßen waren am Freitag Blutlachen zu sehen, viele Schaufenster waren eingeschlagen. Bei Tagesanbruch standen noch viele der größten Geschäfte Bischkeks in Flammen. Anfang der Woche hatte es schon in den im Süden Kirgisiens gelegenen Städten Osch und Jalal Abad Gewalttaten gegeben.
Der 14 Jahre lang regierende Akajew soll nach Medienberichten ins Nachbarland Kasachastan geflohen seien. Eine Bestätigung dafür gab es nicht. Der kirgisische Botschafter in den USA, Baktybek Adrisaew, sagte dem Fernsehsender CNN, Akajew befinde sich an seinem sicheren Ort und sei nicht zurückgetreten. Die Machtübernahme durch die Opposition nannte er einen Putsch, der gegen die Verfassung des Landes verstoße. Die meisten führenden Köpfe der Opposition waren früher Gefolgsleute Akajews. Bislang wurde die Führung des Landes noch von keinem Staat anerkannt. Die US-Regierung rief zu einem Ende der Gewalt und Neuwahlen auf.
Putin bietet Akajew Asyl an
Das russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin hat dem gestürzten kirgisischen Präsidenten Askar Akajew politisches Asyl angeboten. "Wenn Askar Akajew nach Russland kommen möchte, hätten wir keine Einwände", sagte Putin am Freitag bei einem Besuch in der armenischen Hauptstadt Eriwan. Nach der Erstürmung des Regierungssitzes am Donnerstag war Akajew aus der Hauptstadt geflohen.
Beobachter sprachen von einer undurchsichtigen politischen Lage. Es zeichne sich ein Machtkampf zwischen dem aus dem Süden Kirgisiens stammenden Bakijew und dem aus der Haft entlassenen früheren Geheimdienstchef Felix Kulow ab. Kulow findet vor allem im Norden Unterstützung. Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) versuchten in Bischkek, Kontakt mit den neuen Machthabern aufzunehmen. Bakijew kündigte an, sein Kabinett werde längstens drei Monate bis zu Neuwahlen arbeiten.