Trentino Zwei Wochen nach tödlicher Bärenattacke in Norditalien: Bürgermeister drohen mit Rücktritt

Regionalpräsident in Trentino, Maurizio Fugatti
Regionalpräsident in Trentino, Maurizio Fugatti
© Pierre Teyssot / AFP
Der Bär, der in Norditalien einen Jogger getötet hat, sollte zum Abschuss freigegeben werden. Ein Gerichtsurteil schützt das Tier vorerst. Nun droht ein politischer Eklat.

Zehn Tage nachdem eine Bärin einen 26-jährigen Jogger getötet hat, drohen die Bürgermeister in dem Tal Val di Sole in der norditalienischen Region Trentino mit ihrem Rücktritt. Die Politiker protestieren damit gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Trient. Dieses hatte vergangene Woche der Berufung zweier Tierschutzvereine stattgegeben und den Abschuss des "Problembären" vorerst bis zum 11. Mai ausgesetzt. Dann soll bei einer Anhörung vor Gericht über das Schicksal des Bärenweibchens entschieden werden. Zuvor hatte der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti den Befehl zum Abschuss erteilt.

Die Bürgermeister sind mit dem Gerichtsbeschluss nicht zufrieden. "Die Aufgabe eines jeden Bürgermeisters ist es, die Sicherheit der Bürger zu garantieren, aber wenn auf übergemeindlicher Ebene Entscheidungen getroffen werden, die mich daran hindern, meine Aufgabe wahrzunehmen, welchen Sinn hat es dann, weiterhin Bürgermeister zu sein", sagt etwa das Oberhaupt der Gemeinde Ruffre, Donato Seppi, laut einem Bericht der Tageszeitung "Alto Adige". Laut Landeshauptmann Maurizio Fugatti sind die Menschen im Val di Sole besorgt. Er sprach von insgesamt drei "Problembären", die abgeschossen werden sollten, "wenn es uns der Staat genehmigt".

Er und seine Mitstreiter fordern, dass das Problem des Zusammenlebens mit Großraubtieren gelöst wird. Der tödliche Vorfall in Norditalien hat die Debatte um das Zusammenleben von Wildtieren und Menschen erneut befeuert. Der trentinische Landeshauptmann will die Bärenpopulation schon seit Längerem massiv verringern, etwa durch einen Massentransfer in andere Gebiete. Zuletzt sprach Fugatti von einer Halbierung der Bärenzahl und erntete dafür Kritik von Tierschutzvereinen.

Die begrüßen die Gerichtsentscheidung als "Rettung" des Bärenweibchens bis zum 11. Mai und plädieren dafür, die Bürger für wilde Tiere zu sensibilisieren oder Wildtierkorridore einzurichten. Fugatti kündigte derweil an, dass weiterhin nach dem Tier gesucht wird. Das Gebiet werde vom Trentiner Forstkorps bewacht, es seien zudem Röhrenfallen aufgestellt worden. Zudem werde die Provinz das Gerichtsurteil anfechten, um den Bären erlegen zu können.

Der Extrembergsteiger und Autor Reinhold Messner bezeichnete Bären und Wölfe in einem Interview mit der italienischen Zeitung "La Stampa" als ein "Problem geworden, für Landwirte, Züchter, Einwohner und Touristen". Auch er ist dafür, dass die Bärenpopulation in der Region halbiert wird. Das Erlegen von aggressiven Tieren sei ein Mittel. Gleichzeitig fordert er eine klare Gesetzgebung auf EU-Ebene. Es sei inakzeptabel erst dann einzugreifen, wenn ein Raubtier getötet hat. Die Alpen würden nicht nur von Wildtieren bewohnt, das Problem müsse daher im Sinne der öffentlichen Sicherheit gelöst werden.

In Trentino leben doppelt so viele Bären wie geplant

Der Vorfall in Norditalien lässt auch eine deutsche Debatte wieder aufleben. Im Interview mit dem "Merkur" spricht sich Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dafür aus, den Wolf zu bejagen. Die Bärenattacke in Trentino bezeichnete er als "Ergebnis von Heile-Welt-Ideologien aus der Großstadt, die den ländlichen Raum als Spielwiese sehen".

Das Bärenweibchen, das den 26-jährigen Andrea Papi am 5. April in der Trentiner Gemeinde Caldes attackierte und tötete, sollte bereits 2020 erlegt werden. Damals hatte sie einen Vater und dessen Sohn am Berg Peller angegriffen. Auch damals entschied das Gericht zugunsten der Bärin. Sie wurde mit einem Funkhalsband ausgestattet, das derzeit allerdings nicht funktioniert und keine Bewegungsdaten übermittelt. Ein DNA-Abgleich zeigte, dass es sich bei dem Tier um die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen "Problembären" Bruno handelt.

Die Eltern der beiden Bären waren zwischen 2000 und 2001 im Rahmen des EU-Projekts "Life Ursus" aus Slowenien nach Italien gebracht worden. Bruno wanderte von dort aus nach Bayern aus, wo er Schafe riss, Bienenstöcke und Kaninchenställe plünderte. Seinen Namen als "Problembär" verdankte er dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.

Im Trentino gibt es nach Angaben der Provinz seit dem "Life Ursus"-Projekt etwa 100 Bären – doppelt so viele wie eigentlich geplant.

Quellen: ORF. at, "Der Standard", "Tiroler Tageszeitung", Merkur, mit Material von DPA.