Bericht zum Kaukasus-Konflikt Beide Kriegsgegner sehen sich als moralische Sieger

Jetzt ist er draußen, der Untersuchungsbericht zum Kaukasus-Konflikt. Und beide Seiten sehen sich bestätigt. Die Georgier, obwohl ihnen vorgeworfen wird, den Krieg begonnen zu haben. Die Russen, die völlig unverhältnismäßig reagiert haben.

Georgien hat nach Feststellung einer internationalen Untersuchungskommission vor 13 Monaten den Kaukasus-Krieg gegen Russland begonnen. In einem Bericht der von der EU eingesetzten Kommission wird der bisherigen offiziellen Darstellung Georgiens widersprochen, das Land habe auf eine vorherige Invasion Russlands reagiert. Zugleich wird Russland in dem am Mittwoch vorgelegten Report jedoch wegen seines "unverhältnismäßigen" Vorgehens gegen und in Georgien scharf kritisiert.

Der Bericht der von der schweizerischen Diplomatin Heidi Tagliavini geleiteten Kommission wurde vom russischen EU-Botschafter Wladimir Tschischow begrüßt. "Der Bericht ist im Großen und Ganzen objektiv, darin ist die Schlussfolgerung enthalten, dass Georgien mit der Aggression gegen Südossetien begonnen hat", sagte er der Agentur Interfax. Die georgische Botschafterin Salome Samadaschwili sagte hingegen in Brüssel, sie entnehme dem Bericht, "dass Russland unter Verletzung internationalen Rechts in Georgien einmarschiert ist".

"Es gab keinen Angriff Russlands"

Tagliavini stellte fest: "Es gab keinen laufenden militärischen Angriff Russlands vor dem Beginn der georgischen Operation." Es habe auch nicht nachgewiesen werden können, dass Russland kurz vor einem solchen Angriff gestanden habe. Der Militäreinsatz zur Verteidigung sei in der ersten Phase des Konflikts grundsätzlich legal gewesen. Allerdings sei fraglich, ob das spätere Vorrücken russischer Truppen nach Kern-Georgien "notwendig und verhältnismäßig" gewesen sei. Es scheine so zu sein, "als ob ein großer Teil der russischen Militäraktion weit über die vernünftigen Grenzen der Selbstverteidigung hinausging".

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hat bisher stets behauptet, sein Land sei erst in die abtrünnige Region Südossetien einmarschiert, nachdem russische Soldaten mit einer Invasion Südossetiens begonnen hätten. Russland hat seinen Militärschlag gegen Georgien mit dem georgischen Angriff begründet. Moskau habe die in Südossetien seit 1992 stationierten russischen Friedenstruppen sowie russische Staatsbürger schützen müssen. Die EU-Außenminister hatten im November 2008 Tagliavini mit der unabhängigen Untersuchung beauftragt. Sie gilt als exzellente Kennerin der Region.

"Russland verstieß gegen internationales Recht"

In dem Bericht heißt es, das von Moskau als "humanitärer Einsatz" bezeichnete militärische Vorgehen sei keineswegs vor allem oder ausschließlich auf den Schutz russischer Bürger ausgerichtet gewesen. "Es muss gesagt werden, dass die russische Militäraktion außerhalb Südossetiens im Wesentlichen ein Verstoß gegen internationales Recht war." Es habe nach dem 8. August "viele Verstöße gegen das Völkerrecht" in Südossetien und der russisch besetzten "Pufferzone" gegeben.

"Der Mangel an rechtzeitigem und hinreichend entschlossenem Handeln der internationalen Gemeinschaft" hat nach Ansicht der 19-köpfigen Untersuchungskommission zu der Krise beigetragen. Georgier, Abchasen und Südosseten hätten sich zu sehr auf "auswärtige Akteure und Aspekte" verlassen, ohne wechselseitig Vertrauen aufzubauen.

DPA
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