Ein Jahr nach der Tötung von Osama bin Laden hat die USA die letzten Briefe des Al-Kaida-Chefs ins Internet gestellt. Insgesamt ließ die Regierung in Washington 17 Dokumente veröffentlichen, die bei dem Kommandoeinsatz am 2. Mai 2011 im Versteck bin Ladens in Pakistan beschlagnahmt worden waren. Die auf Arabisch verfassten Briefe und Briefentwürfe vom September 2006 bis zum April 2011, umfassen insgesamt 175 Seiten. Sie sind auf dem Internetauftritt des Zentrums für Terrorbekämpfung der US-Militärakademie West Point abrufbar. Die Dokumente geben einen Einblick in die interne Kommunikation von al Kaida. Verfasst wurden die Briefe von bin Laden und andere ranghohen Vertretern des Terrornetzwerks sowie verbündeten Gruppen im Jemen, in Somalia und in Pakistan. Die Dokumente waren zunächst als streng geheim eingestuft gewesen und wurden nun nach einer Auswertung freigegeben.
Bin Laden sorgte sich um die Zukunft
In einem Schreiben vom Mai 2010 etwa zeigte sich bin Laden besorgt, dass die Sympathie für al Kaida in der muslimischen Welt schwinde. Der Chef des Terrornetzwerks ordnete daher an, Anschläge mit "unnötigen" Opfern unter muslimischen Zivilisten zu vermeiden. Sollte dies nicht befolgt werden, schrieb bin Laden in seinen Briefen, würde das zu Siegen in einigen Schlachten führen, während al Kaida den Krieg am Ende verliere.
Er habe sogar über eine Änderung des Namens der Terrororganisation nachgedacht. Das berichtet der US-Sender CNN, der sich auf die sichergestellten Dokumente beruft. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington mit fast 3000 Toten war bin Laden der Staatsfeind Nummer eins der USA. Fast ein Jahrzehnt konnte er sich verstecken, bis die US-Geheimdienste ihn und seine Familie im pakistanischen Abbottabad aufspürten und erschossen.
Einblick in die Gedanken eines verzweifelten Mannes
Die rund 6000 Seiten der veröffentlichten Papiere tragen die Handschrift bin Ladens, ein Dokument ist 48 Seiten lang, wie der CNN-Terrorismusexperte, Peter Bergen, schilderte. Er hatte nach eigenen Angaben bereits zuvor Einblick in mehrere Dokumente und damit in die Gedankenwelt Bin Ladens erhalten.
Osama bin Laden war demnach stark besorgt über amerikanische Drohnenangriffe auf mutmaßliche Terroristenziele in Pakistan. Wie Bergen weiter sagte, zeigte bin Laden zunehmend einen Hang dazu, sich um jede Kleinigkeit zu kümmern - ein Zeichen seines verzweifelten Versuches, die Kontrolle über die al Kaida zu behalten und weiter "bedeutend" zu sein. So habe er in einem Fall Verbündeten in Nordafrika geraten, Bäume zu pflanzen, damit sie sich im Fall von Drohnen- und anderen Angriffen darunter verbergen könnten.
Insgesamt, so der Experte, spiegelten die Papiere die zunehmende Isolation bin Ladens in den sechs Jahren wider, die er sich in Pakistan versteckt gehalten habe.