Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung macht die örtliche Drogenmafia und eine Verlagerung terroristischer Aktivitäten aus dem Irak für die Eskalation der Gewalt in Afghanistan verantwortlich. "Ich erkläre mir das damit, dass versucht wird, die Ausweitung von (der Nato-Friedenstruppe) Isaf hier zu verhindern, um den ungehinderten Drogenanbau nicht zu gefährden", sagte Jung der Nachrichtenagentur Reuters. "Auch ist nach meiner Meinung eine Verlagerung von Aktivitäten aus dem Irak nach Afghanistan erfolgt". Deutsche Soldaten im Norden Afghanistans wurden unterdessen den dritten Tag in Folge Ziel von Angriffen. Drei Bundeswehrsoldaten wurden nach Angaben des Einsatzführungskommandos durch Splitter leicht verletzt, als ihre Patrouille südlich von Kundus unter Beschuss geriet.
Stabilisierung Afghanistans muss vorangetrieben werden
"Während der derzeit stattfindenden Ausdehnung von Isaf auf das gesamte Afghanistan wird jetzt versucht, diesen Prozess durch terroristische Aktivitäten zu stören", sagte Jung. In diesem Jahr habe es bereits ungefähr so viele Anschläge gegeben wie im gesamten vergangenen Jahr. Hauptsächlich konzentrierten sich die Angriffe zurzeit auf den Süden und auf den Osten des Landes, aber es fänden eben auch Anschläge im Norden statt, wo die deutschen Soldaten als Teil der Nato-Truppe Isaf stünden.
Auf die Frage, ob er eine "Irakisierung" Afghanistans befürchte, sagte der Minister: "Das hoffe ich nicht, wobei man sagen muss, auch im Irak haben wir mittlerweile nach einem langen Zeitraum erstmals wieder demokratische Wahlen und eine demokratisch gewählte Regierung." Er hoffe, dass sich beide Länder stabilisieren und zu einer demokratischen und friedlichen Entwicklung finden würden. "Wir dürfen nicht nachlassen, den Wiederaufbauprozess und die Stabilisierung in Afghanistan voranzutreiben, weil ich glaube, dass sonst insgesamt diese Mission nicht erfolgreich zu Ende geführt werden kann", betonte Jung. Besonders wichtig sei, sich nicht allein auf den militärischen Teil der Stabilisierung zu konzentrieren, sondern alle politischen Handlungsfelder einzubeziehen.
"Bundeswehr kämpft nicht unmittelbar gegen Drogen"
In den Kampf gegen den Drogenanbau, eines der großen Probleme des Landes, werde die Bundeswehr allerdings auch in Zukunft nicht stärker eingreifen. "Die Drogenbekämpfung wird im wesentlichem durch die afghanische Regierung mit Unterstützung unserer Freunde aus Großbritannien durchgeführt. Wir werden nicht unmittelbar in der Drogenbekämpfung tätig sein", sagte der Minister. Mit den internationalen Partnern sei abgesprochen, dass die Deutschen die Stabilisierung und den Wiederaufbau des Landes vor allem mit fünf Wiederaufbauzentren im Norden unterstützten.
Zugleich sprach sich Jung gegen eine Vermischung des Friedenseinsatzes der Isaf mit dem Kampfeinsatz Enduring Freedom aus. "Ich denke, dass es richtig ist, dass wir die unterschiedlichen Mandate zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau mit Isaf und zur Terrorismus-Bekämpfung mit Operation Enduring Freedom haben", sagte der CDU-Politiker. "Wir haben gerade in der Nato darüber gesprochen, wie man gegebenenfalls noch Synergie-Effekte erzielt im Bereich der Operationsführung und deshalb beschlossen, ab dem Jahr 2007 das Composite Headquarter einzurichten, das einen Synergie-Effekt in der Führung beinhaltet, aber auch weiterhin die zwei Mandate aufrecht erhält. Das halte ich auch für die richtige Entscheidung."
Eine Schätzung, wann sich die Lage in Afghanistan entspannen werde, wollte Jung nicht wagen. "Ich will nicht spekulieren. Ich kann nur hoffen, dass sich die Situation verbessert, wenn festgestellt wird, dass wir es ernst meinen und dass wir uns nicht beirren lassen durch irgendwelche Anschläge, sondern konsequent den Wiederaufbau und die Stabilisierung Afghanistans vorantreiben", sagte er. In Afghanistan sind derzeit knapp 2700 deutsche Soldaten im Friedenseinsatz.