Britische Presse lobt Steinbrück Schulmeister mit Sinn für britische Ironie

Seine überaus kritischen Kommentare zur Finanzpolitik von Premier Gordon Brown haben Bundesfinanzministers Peer Steinbrück in Großbritannien viele Schlagzeilen eingebracht. Doch die britische Presse reagiert gänzlich anders als es zu erwarten war: Steinbrück mit seiner "deutschen Disziplin" erntet massig Lob aus der Fleetstreet.

Die Boulevard-Zeitung "Sun" stellt in einer trockenen Schlagzeile auf Seite Zwei ihrer heutigen Ausgabe zum Angriff auf ihren Premierminister Gordon Brown einfach nur fest "Deutsche: Gord ist ein Totalausfall". Die Daily Mail widmet dem Thema gleich Titel- und eine weitere Doppelseite und nennt den deutschen Finanzminister Peer Steinbrück einen "Schulmeister mit Sinn für britische Ironie". Außerdem kommentiert die Zeitung "ein bisschen deutsche Disziplin ist genau das, was wir auch brauchen" und nennt die Steinbrücksche Politik der fiskalen Vorsicht angesichts einer Krise, die durch nicht abgesicherte Schulden ausgelöst wurde, "gesunden Menschenverstand". Im Daily Telegraph heißt es "Wir brauchen einen Deutschen, um Vernunft in die Wirtschaft zu bringen" und in der Times schreibt die stellvertretende Chefredakteurin Rosemary Righter: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mich für Angela Merkel erwärmen könnte. Aber ich finde ihre Gegensätzlichkeit sehr erfrischend."

Lernen über Deutschland

Was ist passiert im deutsch-britischen Medienverständnis? Anstatt diesen politischen Streit zwischen den Regierungen Brown und Merkel zum Anlass für altbekannte Deutschen-Witze mit historischen Stereotypen zu benutzen, beschäftigen sich die Tageszeitungen ernsthaft mit den deutschen Koalitionsverhältnissen. Die britischen Leser lernen im Schnelldurchlauf die Probleme zwischen CDU und CSU im Streit um Steuersenkungen kennen. Die Zeitungen versuchen zu erklären, warum die Regierung Brown den ganzen Streit um Peer Steinbrücks Äußerungen als ein "internes Problem der deutschen Regierungskoalition" abtut. Die britischen Leser erfahren außerdem, dass Deutschland zwar bei Arbeitslosigkeit und Verschuldung immer noch hinter den Briten liegt, bei Export, Sparraten und Wirtschaftswachstums-Aussichten nach der Rezession jedoch weit bessere Wirtschaftsdaten aufweist.

Ihnen wird die deutsche Aversion gegen Überschuldung erklärt, und dass der Großteil der Deutschen immer noch lieber bar oder mit EC-Karte bezahlt als mit Kreditkarte, und die Mehrheit eher mietet als ein Haus besitzt. Und dass es normal ist, beim Immobilienkauf 30 Prozent Eigenkapital beim Antrag für eine Hypothek vorzulegen. Die Tageszeitung "The Independent" erklärt die deutsche Geisteshaltung, "mit Geld kein Risiko eingehen zu wollen" und die "nationale Phobie vor dem Aktienmarkt". Der Daily Telegraph nennt all das "einen willkommenen Ansturm von Realität".

Gordon, ein "Kaiser ohne Kleider"

Und ganz anders, als die Regierung Brown unter anderem durch Interviewauftritte des Außenministers David Miliband in der BBC verkündet, scheint der Streit der Worte nicht die Risse in der deutschen Koalition ans Licht zu bringen - sondern den Unterschied zwischen Regierung und Opposition in Großbritannien. Während sich Brown durch den Zuspruch des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Paul Krugman auf der richtigen Seite der Finanzpolitik in Krisenzeiten wähnt, nennt der Oppositions-Finanzminister George Osborne die vergangenen Tage "den Moment, in dem der Kaiser ohne Kleider dastand". Entgegen Browns Beschwörungen im Parlament stehe eben doch nicht die ganze Welt hinter ihm. "Das mag der Moment sein, in dem Gordon Browns Dusel ausläuft", sagte Osborne. Brown hat seit Beginn der Krise seine angeschlagenen Umfragewerte leicht nach oben korrigieren können.

Die Konservativen hoffen nun angesichts der Reaktionen der Zeitungen, dass die deutliche deutsche Zurückweisung von Gordon Browns Finanzpaket auch in Großbritannien zu Diskussionen führt, ob eine neue Milliardenverschuldung auf Dauer die richtige Politik sein kann.

Erinnerungen werden wach

Und während sich in Großbritannien Opposition und Regierung über deutsche Äußerungen streiten, fällt das Pfund weiter einem Gleichstand mit dem Euro entgegen. Die "Financial Times" erinnert in ihrer heutigen Ausgabe daran, dass es schon einmal einen Moment gegeben hat, in dem ein deutscher Offizieller die britische Finanzpolitik kritisierte. 1992 waren es die Konservativen, die verzweifelt versuchten, das Pfund im europäischen Wechselkursmechanismus zu stützen. Damals sagte der Bundesbankchef Helmut Schlesinger, dass diese Finanzpolitik zum Scheitern verurteilt sei. Innerhalb von 48 Stunden verlor das Pfund so sehr an Wert, dass es aus dem Wechselkursmechanismus herausgelöst werden musste, der "Schwarze Mittwoch" ließ Großbritannien in eine lange Rezession gleiten.

Gordon Brown hatte damals als designierter Finanzminister gesagt, dass ein schwaches Pfund eine schlechte Wirtschaftspolitik der Regierung abbilde. Es sind die Opposition und die konservativen britischen Zeitungen, die ihn dieses Zitat so schnell nicht vergessen lassen werden.