Vor wenigen Tagen veröffentliche der stern einen Artikel über Ümit Özdağ, Gründer und Vorsitzenden der rechten türkischen Partei Zafer Partisi (Partei des Sieges). Neben weiteren Experten gab auch der Politikwissenschaftler Burak Çopur seine Einschätzung zu Özdağ ab, nannte ihn unter anderem den "türkischen Björn Höcke". Özdağ und seine Anhänger hetzen nun auf Twitter gegen Çopur und beleidigen ihn.
"Nichts weiter als ein Propagandist, der den Anschein macht, Akademiker zu sein", twittert der türkische rechte Politiker Ümit Özdağ am vergangenen Donnerstag über den Türkeiexperten Burak Çopur. Er sei ein "oberflächlicher und sich andienender Lappen linker liberaler Tradition". Schließlich fordert er den Türkeiexperten sogar zu einem Fernsehduell, "wann immer Sie wollen und wo immer Sie wollen."
stern und Çopur Ziel von Anfeindungen
Kurz zuvor hatte Çopur, promovierter Politikwissenschaftler und Hochschulprofessor aus Essen, den rechten türkischen Politiker Özdağ in einer Analyse des stern den "türkischen Björn Höcke" genannt. Mehr als 750.000 Mal wurde der Twitter-Post des stern, der auf den Artikel verweist, bereits aufgerufen. Seit Tagen toben sich Özdağs Anhänger nun mit ihren Parolen und Widerworten in der Kommentarspalte des Postings aus: Der stern trete mal wieder in seiner gewohnten Rolle als "Chefprovokateur" auf, er agiere als Propaganda-Instrument des Westens und rede einen türkischen Patrioten schlecht. Dazwischen immer wieder die Aussage "Wenn ihr die syrischen Flüchtlinge so liebt, dann nehmt ihr sie doch!". Und mittendrin im Hagel der rechten Kritik Burak Çopur.
Çopur ist Politikwissenschaftler aus Essen, hat türkische Wurzeln, lebt seit mehr als 40 Jahren in Deutschland. Seit vielen Jahren tritt er als deutlicher Kritiker Erdogans und seiner Partei AKP in Deutschland medial in Erscheinung. Er ist häufig in deutschen Talkshows zu Gast, wenn es um die Türkei geht. Auch für eine Analyse des stern hat er sich zur türkischen Parteilandschaft geäußert. Nämlich zu Ümit Özdağ und seiner Zafer Partisi, seiner Partei des Sieges. Özdağ und seine Partei nutzen die Stimmung in der Türkei seit dem verheerenden Beben vom 6. Februar gezielt aus, um gegen syrische Flüchtlinge zu hetzen. Immer wieder behaupten ihre Anhänger, die Flüchtlinge seien schuld an der katastrophalen Lage im Land: Die Syrer, so heißt es, nutzten das Leid der gebeutelten türkischen Gesellschaft aus, würden plündern, stehlen, vergewaltigen.
"Seit Jahren stehe ich unter Beschuss von Erdoganisten und türkischen Rechtsextremen"
Propaganda, die Çopur und andere Experten klar als solche benannte und verurteilte. Jetzt ist er selbst zur Zielscheibe der Hetze geworden. Mal wieder. "Ich bin es im Grunde schon gewohnt", sagt Çopur wenige Tage nach Erscheinen des Artikels über Özdağ. "Seit Jahren stehe ich unter Beschuss von Erdoganisten und türkischen Rechtsextremen." Nun habe er wohl erneut in ein Wespennest gestochen. Auf Twitter wird er seit Erscheinen des Beitrags als "Vaterlandsverräter", "Terrorist der Gülen-Bewegung" sowie als "Hund der Deutschen" bezeichnet.
"Ich habe die gegenwärtige Lage im Grunde nur beim Namen genannt in meiner Expertise", so Çopur. "Und von den Reaktionen kann man sehr einfach darauf schließen, dass sie die Kritik sehr hart getroffen hat." Besonders die Bezeichnung "türkischer Björn Höcke" habe ihre Wirkung nicht verfehlt. Dennoch habe er nicht mit einer solch harschen Reaktion von Özdağ und seinen Anhängern gerechnet. "Man sollte meinen, dass er als Oppositionspolitiker im Krisengebiet der Türkei nach dem Beben gerade besseres zu tun hat, als sich mit einem Artikel aus Deutschland zu beschäftigen", sagt Çopur. "Aber ich stehe zu dem, was ich im Interview gesagt habe", betont er. Ihm liege es am Herzen, dass die Türkei irgendwann wieder zur Demokratie zurückfinde. "Und das wird mit Sicherheit nicht passieren, wenn türkische Rechtsextremisten nicht die Regierung kritisieren, sondern versuchen, die ganze Wut im Land auf Flüchtlinge umzulenken."

Çopur will wieder eine demokratische Türkei
Wie er zur Herausforderung Özdağs zu einem TV-Duell steht? "Nun, ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich ernst gemeint war", sagt Çopur. Mit ihm aber im türkischen Fernsehen vor seinen Anhängern zu diskutieren, nur um ihm eine weitere Bühne für seine Hetze zu bieten, würde nichts bringen.
Aber Herr Özdağ spreche perfektes Deutsch, er habe lange in München studiert. Wenn das Streitgespräch professionell von deutscher Seite moderiert werden würde, könnte er sich eine solche Diskussion vorstellen, sagt Çopur. "Aber ich weiß nicht, wie viel es Sinn macht, wenn ein Professor aus Deutschland mit einem militanten, rassistischen Professor aus der Türkei im deutschen Fernsehen diskutiert."