Immer und immer wieder liefen die demütigenden Bilder des gefangenen Saddam Husseins am Sonntagmorgen über die amerikanischen Fernsehschirme. "Ein Triumph für US-Präsident George W. Bush" - darin waren sich in Washington alle einig. Selbst der schärfste Bush-Kritiker der Demokraten, der Ex-Gouverneur von Vermont, Howard Dean, gab zu: "Offen gesagt, dies ist auch ein großer Tag für die Regierung". Bush selbst aber vermied bei seiner knappen Ansprache an die Nation jedes Triumphgefühl, betonte vor allem die Bedeutung der Festnahme für das irakische Volk.
Bush hat angekündigt, Saddam Hussein werde die Gerechtigkeit erfahren, die er Millionen Menschen verweigert habe. Seine Festnahme markiere das Ende einer "dunklen und schmerzvollen Ära" in Irak. Das sei das Ende des Weges für ihn und alle, die in seinem Namen gemordet hätten, sagte Bush. Er mahnte zugleich, das Ende der Gewalt bedeute dies aber noch nicht.
Aufruf zu Gewaltverzicht
Bush äußerte sich erst etliche Stunden nach der Bestätigung der Festnahme Saddam Husseins und auch dann nur zurückhaltend. Er rief die Iraker auf, jegliche Gewalt abzulehnen. Diejenigen, die sich auf die Seite der Freiheit gestellt hätten, hätten die siegreiche Seite gewählt, sagte Bush. Die Festnahme Saddam Husseins sei wichtig für den Aufstieg eines freien Iraks. Und an die Iraker gewandt, sagte Bush: "Sie brauchen die Herrschaft Saddam Husseins nie wieder zu fürchten."
Bush versprach, die USA würden in Irak weiterkämpfen, bis der Krieg endgültig gewonnen sei. Er lobte dabei die Soldaten, die in Irak stationiert sind und die Saddam Hussein gefasst hätten. Aber die Risiken für sie existierten weiter, mahnte Bush unter Bezug auf befürchtete weitere Angriffe. Bestätigt wurde er noch am Abend durch eine schwere Explosion in Bagdad.
Zuvor hatte Bush seinen Pressesprecher Scott McClellan mitteilen lasen: "Das irakische Volk kann sich endlich sicher sein, dass Saddam Hussein niemals an die Macht zurückkommt - und es kann sich selbst davon überzeugen." Der Präsident sei der Ansicht, dass dies eine sehr gute Nachricht für das irakische Volk sei. "Saddam Hussein war ein brutaler Unterdrücker und Diktator und verantwortlich für Jahrzehnte lange Gräueltaten".
Bushs Triumph
Es war zweifelsfrei ein außergewöhnlich wichtiger Tag in der Präsidentschaft von Bush - unabhängig davon, dass ein Ende der blutigen Zeiten im Irak keineswegs sicher ist. Die US-Militärs fürchten im Gegenteil gerade in der kommenden Woche wütende Reaktionen mit Anschlägen von Saddam-Anhängern.
Dennoch hofft Washington nach der Festnahme des "Tyrannen" - und des nach Osama bin Laden meistgesuchten Mannes der Welt - auf eine Wende im Nachkriegs-Irak. Bush sprach vom endgültigen Ende eine "dunklen und schmerzhaften Ära".
Washington rechnet nach der Festnahme von Saddam 250 Tage nach Kriegsbeginn zumindest mittelfristig mit der deutlichen Schwächung des Widerstands gegen die Besatzungsmacht und die neue irakische Führung. Vor allem werde die Angst vieler Iraker schwinden, mit den neuen Machthabern zu kooperieren. Allerdings berichtete ein Militärexperte im Radiosender NPR, es könne auch sein, dass Saddam von rivalisierenden Organisationen verraten worden sei - um eine eigene, möglicherweise islamistisch geprägte Strategie des bewaffneten Widerstandes durchzusetzen.
Aber die Gefangennahme Saddams hat nach Ansicht von Beobachtern viele hocherfreuliche Aspekte für die im In- und Ausland heftig angegriffene Bush-Regierung. Ein vermutlich rein irakisch besetztes Tribunal gegen den gestürzten Diktator werde den Irakern und der Weltöffentlichkeit noch einmal die jahrzehntelangen Gräueltaten des Tyrannen und den Terror gegen sein eigenes Volk vor Augen führen. Die US-Militärs spekulieren auch darauf, dass sie nun jene sehnlichst erhofften Informationen über Saddams Massenvernichtungswaffen bekommen werden.
Hoffnung auf demoralisierende Wirkung
Zudem rechnet die US-Regierung mit einer demoralisierenden Wirkung der Gefangennahme Saddams in der arabischen Welt. Die US-Militärs wollten ihn unbedingt lebend fangen. Denn wenn US-Soldaten Saddam wie seine Söhne Udai und Kusai vor fünf Monaten beim Widerstand gegen eine Festnahme erschossen hätten, wäre er möglicherweise für viele Iraker doch als Märtyrer in die Geschichte eingegangen. Insbesondere die Umstände der Festnahme Saddams in einem erbärmlichen Erdloch und das für westliche Augen sehr fragwürdige Video mit Bildern einer medizinischen Untersuchung des Ex-Diktators sollen das Ansehen des "arabischen Nationalhelden" nachhaltig beschädigen.
Die US-Regierung sieht die Chancen für eine nachhaltige Stabilisierung und Demokratisierung des Iraks nach der Gefangennahme Saddams deutlich gestiegen. Und im Inland hat Bush gut zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl seinen Gegnern, die gerne das Versagen bei der Jagd auf Saddam in ihre Wahlreden einflochten, viel Wind aus den Segeln genommen.