China Volksbefreiungsarmee als Friedensgarant

Mit einer Erhöhung seiner Militärausgaben hat China zum Auftakt der Plenarsitzung des Volkskongresses seine Drohungen gegen Taiwan untermauert. Die Armee müsse in die Lage versetzt werden, jeden Krieg gewinnen zu können.

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao sieht in einer aufgerüsteten Volksbefreiungsarmee eine Garantie für eine Lösung der Taiwan-Frage. Zum Auftakt der diesjährigen Plenarsitzung des Volkskongresses am Samstag in Peking beteuerte Wen Jiabao, seine Regierung arbeite "ernsthaft und mit Nachdruck auf eine friedliche Wiedervereinigung hin". Den Unabhängigkeitskräften werde "niemals" erlaubt, Taiwan von China abzutrennen. Die Stärkung der Streitkräfte sei eine "strategische Aufgabe" und "eine wichtige Garantie für die Sicherung der nationalen Sicherheit und Wiedervereinigung", sagte Wen Jiabao in seinem Rechenschaftsbericht.

"Besser als eine Million Soldaten"

Vor den knapp 3000 Delegierten in der "Großen Halle des Volkes" setzte sich Wen Jiabao für das umstrittene Anti-Abspaltungsgesetz ein, das einen Militärschlag gegen die demokratische Inselrepublik legitimieren soll. Ohne Details zu nennen, sagte der Regierungschef, das Gesetz werde Chinas feste Entschlossenheit demonstrieren, die territoriale Integrität zu schützen. Der Entwurf wird am Dienstag eingebracht und am 14. März verabschiedet. Ausführlich ging Wen Jiabao auf die Modernisierung der Streitkräfte ein, die in die Lage versetzt werden müssten, "jeden Krieg zu gewinnen, den sie eingehen". Das Gesetz sei "besser als eine Million Soldaten", jubelte kürzlich ein hoher Militär.

Die USA haben sich schon distanziert über das Gesetz geäußert. Die Vorstellung, dass im Falle eines Krieges vielleicht europäische Waffensysteme in chinesischen Händen gegen amerikanische Soldaten eingesetzt werden könnten, erregt in den USA die Gemüter. Die Kriegsdrohungen Chinas erschweren aber auch die Bemühungen europäischer Staaten wie Deutschland und Frankreich, die sich für eine Aufhebung des europäischen Waffenembargos gegen China einsetzen. Eigentlich bekräftige das Gesetz nur die alte Politik einer friedlichen Wiedervereinigung, wiegelt der Sprecher des Volkskongresses, Jiang Enzhu, ab. Aber seine Einschätzung, die Welt würde "einhellig" die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan verurteilen, wenn ein Konflikt die Olympischen Spiele 2008 in Peking gefährden sollte, erschien Beobachtern angesichts der 700 Raketen, die China auf Taiwan richtet, etwas irreal.

Das Anti-Abspaltungsgesetz passt so gar nicht in die unerwarteten "warmen Strömungen" und den "aufkommenden Frühling", wie Taiwans Präsident Chen Shui-bian es nennt, auch wenn er jetzt eine "dunkle Wolke" sieht. Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao bleibt nichts anderes übrig, als "Anzeichen für Entspannung" einzuräumen. Immerhin hatten sich beide Seiten Anfang des Jahres erstmals seit mehr als fünf Jahrzehnten auf Direktflüge geeinigt, die Peking immer wollte. Flexibel wird jetzt über weitere Flugverbindungen verhandelt.

Versöhnliche Signale aus Taipeh

Der in Peking verhasste Chen Shui-bian, der im Dezember keine Mehrheit im Parlament in Taipeh gewinnen konnte, versprach, in seiner Amtszeit "nicht die Unabhängigkeit zu erklären". Er will den Namen Taiwans als "Republik China" nicht antasten und keine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abhalten. Er schloss kein Modell für die Beziehungen mit Peking aus, womit selbst die Möglichkeit einer Wiedervereinigung zumindest angedeutet wird, wenngleich nur mit einem demokratischen China. Auch der Handel blüht. 40 Milliarden US-Dollar (30 Mrd. Euro) hat Taiwan seit 1993 in China investiert. Ein bis zwei Millionen Taiwaner sollen heute in China leben und sind aus dem chinesischen "Wirtschaftswunder" nicht wegzudenken. Taipeh will weitere Beschränkungen für Investitionen in China aufheben.

Tatsächlich sind die Risiken eines Konflikts enorm. "Eine der größten Gefahren für die internationale Sicherheit heute ist die Möglichkeit einer militärischen Konfrontation zwischen China und Taiwan, die zu einem Krieg zwischen China und den USA führt", warnt der Experte Kenneth Lieberthal in "Foreign Affairs". "Ein solcher Krieg wäre nicht nur tragisch, sondern auch unnötig, da er durch einen Mangel an Vorstellungskraft und Diplomatie ausgelöst wird." China und Taiwan wollten keinen Krieg, verfolgten aber jeder für sich eine Politik, "die ein inakzeptabel hohes Risiko des Blutvergießens eingeht".

Unklar ist, welche Art von Unabhängigkeitserklärung einen Militärschlag auslösen würde. Der Taiwan-Experte der Universität in Xiamen an Chinas Küste, Liu Guoshen, verweist auf die heute in Taiwan noch gültige Verfassung aus der Zeit vor der kommunistischen Machtübernahme 1949, die Taiwan als Teil Chinas ansieht. "Wenn sie nur diesen grundlegenden Punkt beseitigen, dann ist das zweifellos die juristische Unabhängigkeit Taiwans." Doch deutet er eine bewusste Ungenauigkeit im Text des Anti-Abspaltungsgesetzes und Flexibilität bei dessen Umsetzung an. Ähnlich haben Diplomaten in Peking das Gefühl, dass die Bedeutung des Gesetzes eher heruntergespielt wird, was der Theorie Auftrieb gibt, dass hier vielleicht ein Kompromiss zwischen Hardlinern und pragmatischen Kräften ausgehandelt wurde.

Steigerung des Militäretats um 12,6 Prozent

Im Haushalt, der schon am Samstag vorgelegt wurde, ist nun eine Steigerung des Militäretats um 12,6 Prozent vorgesehen, die weit über die allgemeine Ausgabensteigerung von 7,6 Prozent hinausgeht. Das Wirtschaftswachstum will Wen Jiabao nach 9,5 Prozent im Vorjahr auf 8 Prozent drosseln, um eine Überhitzung zu vermeiden. Den Bauern versprach er Hilfen in Milliardenhöhe. Die Landwirtschaft sei eines der "schwachen Glieder". Die Agrarsteuern sollen zwei Jahre früher als geplant bis 2006 abgeschafft werden. Auf die anderen Abgaben, die Bauern an lokale Stellen zahlen müssen, ging Wen Jiabao nicht ein. Für deren Einnahmeausfälle durch den Steuererlass werde Peking aber 14 Milliarden Yuan (1,27 Mrd. Euro) zahlen.

Aus der jüngsten Serie verheerender Bergwerksunglücke mit Hunderten von Toten und anderen Katastrophen müsse China "bittere Lehren" ziehen und die Arbeitssicherheit verbessern, forderte der Ministerpräsident. Mehr Geld müsse in die Bergwerke und deren Sicherheit investiert werden. Die Regierung werde drei Milliarden Yuan (273 Mio. Euro) für staatliche Kohlegruben bereitstellen.

In der zurückhaltenden Rede übte Wen Jiabao wenig Kritik. Er stellte nur fest: "Probleme wie Formalismus, Bürokratie, Unehrlichkeit, Extravaganz und Verschwendung sind vergleichsweise schlimm. Korruption ist in einigen Orten, Abteilungen und Organisationen stark verbreitet." Auch liege die Reform der Regierung "hinter dem Plan". Verantwortlichkeiten seien nicht klar definiert, was eine wirksame Koordination schwierig mache. "Manche Regierungsangestellte haben ein schwaches Bewusstsein dafür, ihre Pflichten in Übereinstimmung mit dem Gesetz auszuüben."

Dusko Vukovic mit Material von DPA

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