Das saßen sie nun in den braunen Ledersesseln des Fliegers, der sie von Washington D.C. nach Manchester, New Hampshire bringen sollte. Sie in einem taubenblauen Hosenanzug, er mit einer gleichfarbigen Krawatte und weißem Hemd. Das war dem Kabelsender MSNBC glatt einen "Campaign Alert" wert: Hillary Clinton und Barack Obama im Partnerlook! Und er hat ihr ein Küsschen gegeben, als sie sich auf dem Rollfeld trafen. Was für ein Auftakt für einen Tag, der nichts anderes sagen sollte als: Soviel Haromie war nie! 16 Monate lang hatten sich Clinton und Obama bitter bekämpft, seit drei Wochen ist das Rennen entschieden - und der Versöhnungsprozess befindet sich trotz aller harmonischen Bilder noch am Anfang.
In dem 1200-Seelen-Dorf Unity in New Hampshire, dort, wo im Januar 107 Wähler ihre Stimme für Clinton abgegeben hatten und 107 ihre für Obama, präsentierten sich die beiden als harmonisches Team mit nur einem Ziel: wieder einen Demokraten in das Weiße Haus zu bringen. Obama gab Clinton galant den Vortritt auf der Bühne und sie war es auch, die zuerst reden durfte. Sie verlor keine Zeit: "Was wir hier in Unity begonnnen haben", rief sie den gut 2500 Menschen zu, die unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen mit Bussen herangekarrt worden waren, "wird damit enden, dass Barack Obama die Treppen zum Weißen Haus als Präsident hinaufsteigt".
Clinton kraftvoll und locker
Obama, auf einem Barhocker schräg hinter ihr sitzend, klatschte begeistert. Die Menge brach alsbald in "Yes, we can"-Rufe aus, die Hymne, die Obama populär gemacht hat. Clinton sprach locker, kraftvoll. Sollte sie noch enttäuscht sein von ihrer Niederlage, hat sie perfekt gelernt, das zu überspielen. Zwischendrin bedachte sie die Menge gar mit "Hillary, Hillary"-Rufen und sie war sicherlich gerührt. Nur einmal, ganz kurz, ließ sie sich zu einem zweideutigen, selbstironischen Kommentar hinreißen. Über ihr Duell mit Obama sagte sie: "Immerhin hatten wir stets einen tempramentvollen Dialog". Lachen aus dem Publikum, sie, trocken: "Naja, eine freundlichere Bezeichnung ist mir dazu nicht eingefallen".
Es folgte eine herzliche Umarmung mit Obama, ehe der ans Mikrofon trat und gute fünf Minuten darauf verwendete, seine ehemalige Konkurrentin über den grünen Klee zu loben. Und er vergaß auch nicht, ihren Ehemann zu erwähnen, Ex-Präsident Bill Clinton, mit dem er immer noch ein bisschen über Kreuz liegt. "Sie rockt", ruft Obama, "und wir brauchen sie beide, ihre Dienste, ihre Weisheit und ihre Erfahrung."
Die Clinton-Spender sollen zu Obama wechseln
Erst Tags zuvor hatte Clinton ihren knapp 300 wichtigsten Spendern Obama vorgeführt und an sie appelliert, sich fortan für den jungen Senator aus Illinois einzusetzen. Der gab sich auch dort als großer Versöhner - und verständnisvoll für jene, die nicht von heute auf morgen das Pferd wechseln wollen. "Ich nehme in diesem Raum dieselbe Leidenschaft wahr, die meine Unterstützer zeigen würden", rief Obama von der Bühne des "Mayflower"-Hotels in Washington, "ich erwarte nicht, dass diese Leidenschaft einfach transferiert wird. Senator Clinton ist einzigartig und ihr Verhältnis zu ihr ist einzigartig. Aber in unserem Herzen stimmen wir darüber ein, dass dieses Land Veränderung braucht."
Das kam gut an bei den Männern und Frauen, die für Clinton wenigsten 100.000 Dollar gesammelt hatten. Den größten Applaus jedoch erntete Obama, als er verkündete, er habe soeben einen Scheck ausgeschrieben. 2300 Dollar (die gesetzlich erlaubte Höchstsumme für Privatspenden) für die unterlegene Kandidatin, die noch gut 20 Millionen Wahlkampfschulden plagen. Und seine Frau Michelle habe es ihm gleich getan. Das war eine von Clintons Anhängern lang erwartete Geste und für viele eine der Voraussetzungen, um sich nun hinter Obamas Sache zu stellen.
Die Gräben werden zugeschüttet
Das Lager des Siegers hatte bereits Anfang der Woche intensiv damit begonnen, die Gräben zuzuschütten. Dazu gehörte die Aufforderung Obamas, für Clinton zu spenden, ebenso, wie die warmen Worte, die sein Wahlkampfmanager David Axelrod im TV offerierte. Senatorin Clinton habe sich ihr Leben lang für die Veränderung der Gesellschaft eingesetzt, sagt der nun plötzlich - nachdem Obama in den vergangenen 16 Monaten alles daran gesetzt hatte, seine schärfste Konkurrentin als Teil des Washington Establishments darzustellen, das es zu reformieren gelte.
Obama darf mit seinem Lob für Clinton allerdings nicht zu weit gehen, will er die Unterstützung seiner größten Fans nicht verlieren. Und in einer anderen Angelegenheit muss der demokratische Kandidat ebenfalls viel Fingerspitzengefühl beweisen. Wie und ob Bill Clinton im Duell mit dem Republikaner John McCain eine Rolle spielen wird, ist bislang ungeklärt. Der Ex-Präsident hatte sich intensiv in den Wahlkampf seiner Frau eingemischt und einige der schärfsten Attacken gegen Obama gefahren. Der Angegriffene wiederum ließ kaum eine Gelegenheit aus, um die Politik der 90er als eine Politik von gestern zu charakterisieren. Wenn er sich auf die Vergangenheit bezog, dann berief er sich auf John F. Kennedy oder Abraham Linclon, nie aber auf Bill Clinton.
Das Ausmaß der Missgunst, die die beiden Männer füreinander empfingen, sei von den Medien übertrieben worden, sagen Berater auf beiden Seiten. Was nichts daran ändert, dass die beiden kein einziges Wort miteinander gesprochen haben, seit Hillary Clinton aufgab. Und als es darum ging, Obama den Wählern zu empfehlen, begnügte sich Bill Clinton mit einer lauwarmen Erklärung via seines Sprechers. Obama versucht derweil, gute Miene zum Spiel zu machen: "Ich will ihn dabei haben. Er ist ein brillanter Politiker. Er war ein herausragender Präsident."
Welche Rolle soll Clinton eigentlich spielen?
Zuerst allerdings müssen Hillary Clinton und Barack Obama noch andere Fragen lösen. Wie viele von Clintons Wahlkampfhelfern wird er übernehmen, welche Rolle soll sie auf dem Nominierungsparteitag Ende August in Denver spielen? Wird er ihr für die Reise dorthin ein Privatflugzeug bestellen, oder muss sie Linie fliegen? Und neben tausend anderen großen und kleinen Dingen steht im Hintergrund immer noch die große Frage, ob er sie als Vizepräsidenten nehmen wird. Axelrod sagt dazu im Augenblick nur: "Das ist eine separate Angelegenheit. Sie ist klug genug, ihm den Raum zu geben, den ein Kandidat braucht, um eine Entscheidung zu fällen."