Deutschland und Frankreich wollen durch eine vertiefte Zusammenarbeit in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy stellten am Donnerstag in Paris eine "deutsch-französische Agenda 2020" mit 80 gemeinsamen Vorhaben vor. Geplant sind unter anderem eine EU-Vorreiterrolle bei Elektroautos und ein deutsch-französisches Eherecht.
Frankreich und Deutschland müssten zeigen, dass sie eng zusammenarbeiten wollten, um in Europa und auf internationaler Ebene voranzukommen, sagte Merkel beim deutsch-französischen Ministerrat im Elysée-Palast. Dazu gebe es jetzt mit den Projekten "viel Konkretes", etwa ein gemeinsames Institut für erneuerbare Energien, ein Demonstrationsprojekt zu Elektroautos in der Region zwischen Straßburg und Stuttgart/Mannheim/Karlsruhe, eine deutsch-französische Wasserpolizei auf dem Rhein oder im Eherecht einen einheitlichen Wahlgüterstand. "Das wird das Leben der Menschen in unseren Ländern sehr viel mehr zusammenführen", sagte die Kanzlerin.
Sarkozy betonte, es gebe den "Willen, Deutschland und Frankreich in den Dienst Europas zu stellen". Die Zeit der "großen Erklärungen" zwischen beiden Ländern sei vorbei, nun gehe es "um konkrete Maßnahmen". In der täglichen Regierungsarbeit können Fachminister dabei künftig auf Einladung an den Kabinettssitzungen im anderen Land teilnehmen - den von Sarkozy vorgeschlagenen deutsch-französischen Minister wird es jedoch nicht geben. Es soll zudem geprüft werden, ob die deutsch-französische Brigade auch für Auslandseinsätze genutzt werden kann. Außerdem soll es "verstärkte deutsch-französische Konsultationen zu Afghanistan" geben.
Zum Streit um die Finanzierung der Mehrkosten für den Airbus-Militärtransporter A400M sagte Merkel, das Projekt sei "von strategischer Bedeutung". Es müsse alles daran gesetzt werden, "dass es zu einer Lösung kommt".
Neue Vorhaben im Industriebereich gibt es vorerst nicht. Bei dem von den Franzosen angestrebten "maritimen EADS" beim U-Boot-Bau gebe es zwar "den Willen zusammenzuarbeiten", sagte Sarkozy. Er verwies aber auf "Schwierigkeiten", die in der Eigenart der Rüstungsindustrien beider Länder lägen. Durchsetzen konnten die Franzosen auch nicht, dass bereits eine Entscheidung zur Nachfolgerin der Ariane-5-Rakete fiel. Zur Ariane-6 soll jetzt bis Jahresende erst einmal ein Prüfbericht erstellt werden.
Nach der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise wollten Deutschland und Frankreich "neue Indikatoren entwickeln", wie Wachstum und Wohlstand der Bürger im 21. Jahrhundert gemessen werden könnten, sagte Merkel. Dazu sollen die Wirtschaftsweisen aus Deutschland und Frankreich gemeinsame Beratungen abhalten. Ziel beider Länder ist bis 2020 ein "starkes und nachhaltiges Wachstum, das die Lebensqualität der Menschen von heute verbessert, ohne die Chancen der nächsten Generation zu gefährden".
Dazu gehört auch der Abbau der Staatsdefizite, wie es in der gemeinsamen Erklärung hieß. Bis 2013 müssten alle Länder wieder die Kriterien des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten. Sarkozy sagte, beide Seiten wollten auch "gemeinsame Vorschläge" für den EU-Sondergipfel kommende Woche zu einer europäischen "Wirtschaftsregierung" vorlegen. In der G-8- und der G-20-Gruppe wollen beide Seiten gemeinsam den französischen Vorsitz im kommenden Jahr vorbereiten.
Bei der Bildungs- und Forschungspolitik sollen 200 zweisprachige Kindergärten eingerichtet und die Kooperation wissenschaftlicher Einrichtungen ausgebaut werden. Die Zahl der Absolventen deutsch-französischer Universitäten soll verdoppelt werden. Geplant ist auch ein deutsch-französisches Schulbuch zu Europa sowie ein länderübergreifender Freiwilligendienst für junge Menschen.