Deutschland Auf dem heißen Stuhl

Die Aktentaschen, mit denen deutsche Diplomaten in den UN-Sicherheitsrat einzogen, wiegen schwer: Im höchsten Gremium der Weltgemeinschaft ist konstruktive Sacharbeit angesagt.

Seit dem 1. Januar 2003 ist Deutschland für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Und seit Februar, wenn möglicherweise die Entscheidung über den Irak-Krieg ansteht, haben die Deutschen den Vorsitz in dem 15 Mitglieder umfassenden Gremium. Deutschlands Botschafter vor Ort, Günter Pleuger, nimmt jetzt auf dem Stuhl direkt neben Generalsekretär Kofi Annan Platz. Am 15. Februar müssen die Waffeninspektoren ihren zweiten Bericht über Saddams Rüstung vorlegen. Nur der Weltsicherheitsrat kann als einziges Organ der UN Zwangsmaßnahmen bis hin zu militärischen Aktionen beschießen. Einzige Bedingung: mindestens neun Mitglieder müssen dafür stimmen. Die Stimme der fünf ständigen Mitglieder des Rates hat besonderes Gewicht – sie können mit ihrem Vetorecht eine Resolution verhindern. Deutschland muss Farbe bekennen.

An der Frontlinie der Weltpolitik

Seit ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen im Jahr 1973 ist die Bundesrepublik zum vierten Mal Mitglied des Sicherheitsrats. Sie war bislang in den Jahren 1977/78, 1987/88 und 1995/96 nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats. Die Deutsche Demokratische Republik fungierte in den Jahren 1980/81 als nichtständiges Mitglied. Die Wahlen zur derzeitigen Mitgliedschaft fanden am 27. September 2002 statt. Deutschland wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 180 von 183 Stimmen gewählt und ist in allen Ausschüssen und Arbeitsgruppen des Rates vertreten. Die Bundesregierung muss nun in den zwei Jahren ihrer Mitgliedschaft im Rat zeigen, dass sie für die UN mehr tut, als nur den dritthöchsten Mitgliedsbeitrag nach den USA und Japan zu überweisen. Gegenwärtig sind 191 Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen. Die deutsche Amtszeit endet am 31. Dezember 2004.

Von Partnern und Kollegen

In den Jahren 2003/2004 ergibt sich die seltene Konstellation, dass vier große Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleichzeitig im Sicherheitsrat vertreten sind – Großbritannien und Frankreich als ständige Mitglieder und Deutschland und Spanien als nichtständige. Auf deutsche Initiative haben die vier Regierungen beschlossen, ihre Zusammenarbeit unter Artikel 19 des EU-Vertrags zu intensivieren und die übrigen elf nicht im Sicherheitsrat vertretenen EU-Mitgliedsstaaten detailliert und zeitnah zu informieren.

Deutsche Blauhelme in Übersee

Deutschland ist gegenwärtig an mehrerer UN-mandatierten internationalen Friedensmissionen beteiligt und weltweit der zweitgrößte Truppensteller. Seit den 70er Jahren beteiligt sich die Bundeswehr im Ausland an Einsätzen der Vereinten Nationen. Militärische Auslandseinsätze der Bundeswehr ("out-of-area") hat das Verfassungsgericht erst 1994 erlaubt. Zu den bisherigen rund zwei Dutzend Friedensmissionen gehörten:

1. 1973/74 im Nahen Osten: Flugzeugtransporte von medizinischem Gerät nach Ägypten, Syrien und Israel.

2. 1988/89 in Namibia: Transporte im Auftrag der UN-Mission UNTAG, die den Unabhängigkeitsprozess und die freien Wahlen überwacht.

3. 1989 im Sudan: Flüge zur Linderung einer Hungersnot. 4. 1991 im Persischen Golf: Unterstützung der UN-Mission UNSCOM bei der Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak. 5. 1991/93 in Kambodscha: Krankenversorgung für die UN-Übergangsbehörde UNTAC und deren Nachfolgeorganisation UNAMIC. 6. Seit 1992 im früheren Jugoslawien: Zunächst Beteiligung an einer Luftbrücke nach Sarajevo, Überwachung der UN-Blockade gegen Serbien und Montenegro in der Adria, von 1995 an Beteiligung an den Friedenstruppen IFOR und SFOR in Bosnien, 1999 Abordnung eines Kontingents für die Friedenstruppe KFOR im Kosovo. 7. 1992/94 in Somalia: Entsendung von 1700 Mann in das von Bürgerkrieg und Hungersnot gezeichnete ostafrikanische Land. 8. Seit 1994 in Georgien: Unterstützung der Mission UNOMIG mit Sanitätspersonal und Beobachtern. UNOMIG überwacht den Waffenstillstand in der Unruheprovinz Abchasien. 9. 2001: NATO-Einsatz in Mazedonien unter Beteiligung der Bundeswehr.

Was kostet der Frieden?

Die Budgets der Vereinten Nationen, der Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda sowie der derzeit 15 Friedensmaßnahmen in aller Welt werden über Pflichtbeiträge finanziert. Deutschland spielt als jeweils drittgrößter Beitragszahler eine maßgebliche Rolle bei der Finanzierung dieser Institutionen. Darüber hinaus ist Deutschland Mitglied in zahlreichen Sonderorganisationen, wie z.B. ILO, WHO, IAEA und Programmen der Vereinten Nationen z.B. UNICEF, UNHCR, die aus Pflicht - sowie aus freiwilligen Beiträgen finanziert werden. Deutschland hat die weltweiten Hilfseinsätze des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) in 2002 mit rund 33 Millionen Euro unterstützt. Trotz der allgemeinen Sparmaßnahmen hat die Bundesregierung damit den höchsten bilateralen Beitrag seit 1993 bereitgestellt. Zudem finanzierte die Deutsche Stiftung für UNO-Flüchtlingshilfe im gleichen Zeitraum UNHCR-Projekte in Höhe von knapp 1,2 Millionen Euro, teilte das UNHCR in Berlin mit. Insgesamt hat Deutschland rund 650 Millionen US-Dollar zur Finanzierung des Systems der Vereinten Nationen beigetragen.

Zusammengestellt von: Nicole Bockstaller