Es war eine typische Donald-Trump-Geschichte: In seinem ersten TV-Interview seit seiner Anklage in New York hatte der ehemalige US-Präsident im erzkonservativen Sender Fox News am Dienstag behauptet, dass die Menschen im Bezirksgericht von Manhattan bei seiner Festnahme in der vergangenen Woche geweint hätten.
"Als ich in das Gerichtsgebäude ging, das in gewisser Weise auch ein Gefängnis ist, haben sie mich in eine Anmeldeliste eingetragen, und ich sage Ihnen, die Leute haben geweint, Leute, die dort arbeiten, die dort beruflich arbeiten", schilderte Trump dem rechtspopulistischen Star-Moderator Tucker Carlson seine Version der Festnahmeprozedur.
"Sie haben keine Probleme damit, Mörder einzulochen, und sie sehen jeden", erzählte Trump. "Es ist ein harter, harter Ort. Und sie haben geweint. Sie haben tatsächlich geweint. Sie sagten: 'Es tut mir leid.'" Die Menschen im Gerichtssaal hätten auch "2024, Sir, 2024" zu ihm gesagt, behauptete der Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner im kommenden Jahr. "Tränen stiegen ihnen in die Augen. So etwas habe ich noch nie gesehen."
"Es gab keine weinenden Menschen"
Womöglich hat Trump so etwas auch dieses Mal nicht gesehen, sondern einfach nur erfunden. Das berichtet zumindest Yahoo News unter Berufung auf eine mit den Einzelheiten vertraute Quelle aus den Strafvollzugsbehörden. Die Tränen-Story des 76-Jährigen sei "absoluter Blödsinn" und habe nicht im Entferntesten etwas mit dem zu tun, was an jenem Tag geschehen sei, sagte die ungenannte Person der Nachrichtenseite.
"Null", antwortete die Quelle demnach auf die Frage, wie viel Wahrheit an Trumps melodramatischen Aussagen dran sei. "Es gab keine weinenden Menschen. Es gab null Leute, die sagten 'Es tut mir leid'".
Trump habe im Gericht abgesehen von seinen Anwälten und Agenten des Secret Service ohnehin nur mit einer Handvoll Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft zu tun gehabt, erklärte die Quelle. Ansonsten sei er während seiner Festnahme und Anklageverlesung kaum mit anderen Personen in Kontakt gekommen. Während des Prozesses habe der Ex-Präsident wenig gesagt, ebenso wie die Vertreter von Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, die ihn während des gesamten Vorgangs begleiteten.
Donald Trump auf der Anklagebank – die Bilder einer historischen Reise

Die einzige kleinere Störung habe es gegeben, als Trumps Finger zu trocken gewesen seien, um Abdrücke zu nehmen, erzählte der Augenzeuge. Mitarbeiter von Bragg hätten ihm daraufhin Lotion bereitgestellt.
Donald Trump erzählt häufiger von weinenden Menschen
Bilder von Trump und den ihn umgebenden Menschen aus den Gängen und dem Saal des Bezirksgerichts in Lower Manhattan bekräftigen die Zweifel an der Darstellung des Ex-Präsidenten. Die Aufnahmen zeigen ausschließlich ernste, teilweise gelangweilt wirkende Gesichter. Tränen oder dem Weinen nahe wirkende Personen sind nicht zu sehen.
Dass Trumps rührende Geschichte wohl eher ein Märchen gewesen sein dürfte, zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit. Vergleichbare Anekdoten – am liebsten von "harten Kerlen", die von der Begegnung mit ihm überwältigt wurden, obwohl sie selbst als Babys nicht geweint haben – gehören zum Standardrepertoire des Republikaners. So behauptete der damalige Präsident im Juni 2019 während eines Gipfeltreffens zum Thema erneuerbare Energien über die Unterzeichnung eines Deregulierungsgesetzes: "Hinter mir standen Bauherren, Landwirte und Viehzüchter, und viele von ihnen haben noch nie in ihrem Leben geweint, auch nicht, als sie geboren wurden – und sie weinten."
Aufnahmen der Gesetzesunterzeichnung im Februar 2017 im Weißen Haus zeigen allerdings, dass niemand der Anwesenden hinter Trump auch nur eine Träne vergoss. Und woher der Ex-Präsident wissen will, ob die Bauherren, Landwirte und Viehzüchter bei ihrer Geburt geweint haben, verriet Trump auch nicht.
Im Jahr 2018 beschrieb der damalige Präsident eine angebliche Begegnung mit einem Mann im Bundesstaat South Dakota wie folgt: "Er war ein starker, harter Kerl, und er weinte. Er sagte: 'Mr. President, danke, dass Sie Amerika gerettet haben'. Ich sage Ihnen, dieser Mann war stark. Ich glaube nicht, dass er geweint hat, als er ein Baby war."
Und Anfang 2019 berichtete Trump von einem Mann, der ihn unter Tränen gebeten habe, Vorschriften zu reduzieren: "Ich glaube nicht, dass er in seinem Leben geweint hat, und ich glaube nicht, dass er geweint hat, als er ein Baby war", sagte der Republikaner. "Er weinte. Er sagte: 'Sir, geben Sie mir mein Leben und mein Eigentum zurück.'"
Trump selbst war dagegen nach eigener Aussage nicht ganz so abgebrüht, als er noch Windel trug, behält dafür aber mittlerweile trotz all der Tränen um ihn herum offenbar einen kühlen Kopf. Während seines Wahlkampfes im Jahr 2015 erklärte der damalige Präsidentschaftskandidat: "Das letzte Mal, dass ich geweint habe, war, als ich ein Baby war."
Quellen: Yahoo News, Fox News, BBC, "Huffington Post", "The Hill", C-Span