Jenna Ryan, eine glühende Anhängerin von Donald Trump, hat keine Kosten und Mühen gescheut, um am 6. Januar nach Washington D.C. zu kommen. Die Immobilienmaklerin aus Texas reiste extra mit einem Privatjet an, um gemeinsam mit vielen weiteren Trump-Fans vor dem Kapitol zu protestieren. In dem Gebäude sollte währenddessen der Kongress die Wahl von Joe Biden bestätigen – dazu kam es jedoch zunächst nicht, weil gewalttätige Demonstranten das Kapitol stürmten. Unter ihnen auch Jenna Ryan.

Die Texanerin streamte den Sturm auf das Kapitol an jenem Nachmittag live auf ihrer Facebook-Seite. Das dürfte schon Beweis genug sein, um juristischen Konsequenzen nicht entgehen zu können. Ryan hat sich mittlerweile dem FBI gestellt. "Ich muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen", sagte sie dem US-Sender CBS. Das habe sie nicht verdient, ist sich die Trump-Anhängerin sicher. Doch es gibt eine Möglichkeit, wie sie und andere Demonstranten ungeschoren davonkommen könnten: eine Begnadigung durch Donald Trump.
Kapitol-Stürmerin: "Wir alle verdienen eine Begnadigung"
Der amtierende US-Präsident darf laut Verfassung Begnadigungen in Bundesstrafsachen aussprechen, und zwar auch schon vor einer Verurteilung. Genau davon sollte Trump auch im Fall der Kapitol-Stürmer Gebrauch machen, findet Ryan: "Wir alle verdienen eine Begnadigung." Im Kapitol habe sie lediglich ihren Patriotismus gezeigt, sagte sie im Gespräch mit CBS. Und ohnehin habe sie nur die Anweisungen von Trump selbst befolgt: "Ich habe auf meinen Präsidenten gehört, als er uns gesagt hat, dass wir zum Kapitol gehen sollten." Tatsächlich hatte Trump seine Anhänger dazu aufgefordert – und damit die ohnehin schon angespannte Stimmung noch weiter angeheizt.
Nach dem Sturm auf das Kapitol hatte Ryan noch getwittert: "Das war einer der besten Tage meines Lebens." Mittlerweile äußert sie sich eher kleinlaut. "Ich wollte nichts Gewalttätiges tun, ich wusste nicht, dass es dort Gewalt gab", behauptet sie. "Ich bin ein ganz normaler Mensch."

QAnon-Schamane fürchtet Haftstrafe
Auch Jacob Chansley, der im Nachgang der Ereignisse im Kapitol als "QAnon-Schamane" bekanntgeworden ist, spekuliert auf eine Begnadigung durch den Präsidenten. Zwar haben die Ermittlungsbehörden den Vorwurf, Chansley habe die Gefangennahme und Ermordung von gewählten Amtsträgern geplant, wieder zurückgenommen. Dennoch droht ihm eine lange Haftstrafe. Chansley, auch unter dem Namen Jake Angeli bekannt, gilt als einer der Rädelsführer.
Sein Anwalt Albert Watkins forderte in einer Pressemitteilung, sein Mandant solle begnadigt werden. Er sei "der Einladung des Präsidenten mit guten Absichten gefolgt". "Mein Mandant hat die oft wiederholten Worte von Präsident Trump gehört. Die Worte und die Einladung eines Präsidenten sollten Gewicht haben." Chansley habe friedlich demonstriert – die Ermittlungsbehörden sind in diesem Punkt allerdings anderer Ansicht. Dem Mann mit dem Hörnerschmuck auf dem Kopf wird unter anderem "Behindern, Erschweren und Störung“ der Arbeit von Polizeibeamten und von gewählten Volksvertretern vorgeworfen. Chansley sitzt weiterhin in Untersuchungshaft.
Begnadigt Donald Trump sich selbst?
Donald Trump hat sich zu den Gnadengesuchen noch nicht geäußert. Laut US-Medien wird der Präsident gerade mit derlei Bitten überhäuft. Wohlhabende Amerikaner in juristischen Schwierigkeiten versuchten sich mit hohen Summen den Zugang zum Präsidenten und möglicherweise auch dessen Gunst zu erkaufen, schreibt die "New York Times". Wie CNN berichtet, möchte Trump in seinen letzten Tagen als Präsident noch mehr als 100 Personen begnadigen oder ihr Strafmaß verringern.
Am Mittwoch übernimmt offiziell Joe Biden das Weiße Haus. Zuvor aber könnte Trump noch eine entscheidende letzte Amtshandlung tätigen: Er könnte sich selbst begnadigen. Ob das rechtlich möglich ist, ist unter Juristen allerdings umstritten. Auf den scheidenden Präsidenten könnten nach seiner Amtszeit Verfahren wegen Steuervergehen und der Anstiftung zum Sturm auf das Kapitol zukommen.
Quellen: CBS / "Business Insider" / "New York Times" / CNN