Es ist ein Schuldspruch, der auch unter Republikanern für Unruhe sorgt: US-Präsident Donald Trump ist von einem Bundesgericht in New York wegen des sexuellen Missbrauchs der Autorin E. Jean Carroll zu fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld und Schadenersatz verurteilt worden. Die neun Geschworenen sprachen Carroll nach nicht einmal dreistündiger Beratung fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung.
Trump, der im kommenden Jahr als Kandidat der Republikaner in die Präsidentenwahl ziehen will, bezeichnete die Gerichtsentscheidung als "Betrug und (...) eine Schande für unser ganzes Land" und kündigte an, Berufung dagegen einzulegen. Wegen des Urteils aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen, kommt dem 76-Jährigen nicht in den Sinn. In den Reihen der Republikaner gibt es allerdings die Sorge, dass die Verurteilung ihres möglichen Kandidaten dessen geplanten Wiedereinzug ins Weiße Haus torpedieren könnte:
"Es würde mir schwer fallen, Donald Trump zu unterstützen"
- Senator John Cornyn aus Texas sagte Journalisten in Washington: "Unabhängig davon, was man von ihm als Person hält, ist für mich die Wählbarkeit das einzige Kriterium." Zwar toleriere die Öffentlichkeit heutzutage mehr Fehlverhalten von Amtsträgern als in der Vergangenheit und sei gerade gegenüber Trump "erheblich" nachsichtig, der Ex-Präsident scheine sich aber nur auf den Kern seiner Anhängerschaft zu konzentrieren, ohne ein "breiteres Spektrum von Menschen" anzusprechen. "Er hat eine solide, unterstützende Basis, aber man kann eine Wahl nicht nur mit seiner Basis gewinnen", erklärte Cornyn. "Das ist für mich der Grund, warum ich nicht glaube, dass er gewinnen kann".
- Senator Mike Rounds aus South Dakota antwortete auf die Reporterfrage, ob er jemanden, der des sexuellen Missbrauchs für schuldig befunden wurde, als Präsidentschaftskandidat unterstützen könnte: "Es würde mir schwer fallen, das zu tun." Man höre "nie gerne, dass ein ehemaliger Präsident – vor einem Zivilgericht – für diese Art von Handlungen schuldig befunden wurde", sagte Rounds. "Es fokussiert uns auf das, was wir schon seit einiger Zeit sagen, nämlich dass wir nach einer Person suchen, die diese Partei vereinigt nach vorne führt, und wir freuen uns darauf, dass diese Person hervortritt."
- Senator Bill Cassidy aus Louisiana nannte Trumps Verurteilung eindeutig besorgniserregend. "Er wurde zivilrechtlich für haftbar befunden. Wie könnte das etwas anderes bewirken, als Besorgnis zu erregen?" erklärte Cassidy. Aber ob dies den ehemaligen Präsidenten als Bewerber für das mächtigste Staatsamt ausschließt oder nicht, müssten die Wähler entscheiden.
- Senator Kevin Cramer aus North Dakota wertete das Urteil als ernstes Problem. "Ich hätte viel lieber einen Präsidenten ohne diese Vorgeschichte, aber gleichzeitig wird es irgendwann eine Entweder-oder-Entscheidung geben, und dann werden wir sie treffen", zitierte der Sender CNN Cramer. Der Schuldspruch sei zwar "nicht einmal für das amerikanische Volk disqualifizierend", aber er habe Auswirkungen auf Trumps Wählbarkeit. "Das und einige andere Dinge lassen mich daran zweifeln, ob er der beste Kandidat für die Partei wäre."
- Senator John Thune aus South Dakota prognostizierte, dass das Urteil höchstwahrscheinlich Teil eines "ständigen Trommelfeuers" während Trumps Kandidatur sein werde. Zwar schienen viele Wähler die Ansicht zu vertreten, dass die Staatsanwälte es auf den 76-Jährigen abgesehen hätten, aber "die Leute werden sich entscheiden müssen, ob sie sich mit dem ganzen Drama, das ihn umgeben wird, auseinandersetzen wollen".
- Senator Mitt Romney aus Utah, ein bekannter Kritiker des Ex-Präsidenten, hielt fest, dass eine Jury aus Trumps "Altersgenossen ihn der sexuellen Nötigung für schuldig befunden und der geschädigten Person fünf Millionen Dollar zugesprochen hat" und fügte hinzu: "Ich hoffe, dass die Geschworenen des amerikanischen Volkes zu demselben Schluss über Donald Trump gekommen sind."
Aber nicht alle Republikaner teilen die Bedenken:
- Senator Bill Hagerty aus Tennessee, der unter Trump als Botschafter in Japan diente, nannte das Urteil den jüngsten Akt im "juristischen Zirkus" um den Ex-Präsidenten. "Ich denke, wir haben Präsident Trump schon unter Beschuss gesehen, bevor er Präsident wurde", sagte Hagerty im Sender Fox News. "Das geht schon seit Jahren so. Es ist erstaunlich, wie er diese Art von Angriffen überstanden hat, und die amerikanische Öffentlichkeit hat ihn in erstaunlicher Weise dabei unterstützt."
- Senator Tommy Tuberville aus Alabama äußerte sich ähnlich: "Dies wird nicht das letzte Mal sein", sagte er. "Ich meine, die Leute werden ihn von allen Seiten angreifen [...] Sie können nicht zulassen, dass er gewinnt."
- Der ultrakonservative Senator Marco Rubio aus Florida bezeichnete sowohl den Fall als auch die Geschworenen als "Witz".
- Senator Markwayne Mullin aus Oklahoma sagte, er glaube, es sei "sehr schwierig" für Trump, einen fairen Prozess "in einem dieser liberalen Staaten" zu bekommen.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, wich Reporterfragen zu Trumps Verurteilung aus. Und der Führer der republikanischen Minderheit im Senat, Mitch McConnell aus Kentucky, lehnte es ebenso ab, sich zu äußern, wie der glühende Trump-Anhänger und Senator aus South Carolina, Lindsey Graham.
Carroll hatte Trump beschuldigt, sie Mitte der 90er-Jahre in einer Umkleidekabine des Luxuskaufhauses Bergdorf Goodman in Manhattan vergewaltigt zu haben. Außerdem habe er ihrem Ruf und ihrer Karriere geschadet, in dem er die Tat Jahre später während seiner Amtszeit bestritt und erklärte, die Autorin sei "nicht sein Typ" und würde "total lügen". Die Jury wies den Vorwurf der Vergewaltigung zurück, wertete den Vorfall aber als sexuellen Missbrauch.
Strafrechtlich waren Carrolls Anschuldigungen gegen Trump verjährt, zivilrechtlich jedoch nicht. Da es sich um ein Zivilverfahren handelte, ging es von Anfang an nicht um eine Haftstrafe, sondern um eine finanzielle Entschädigung. Rein rechtlich hat die Entscheidung damit keinerlei Einfluss auf den Wahlkampf.
Quellen: NBC News, "Politico", CNN