Ex-Präsident vor Gericht Donald Trump vor dem vierten Prozess – darum ist diese Klage anders als die anderen

Trübe Aussichten: Mit der jüngsten Anklage aus Georgia kommen auf Donald Trump im Wahlkampf nun vier Gerichtsprozesse zu
Trübe Aussichten: Mit der jüngsten Anklage aus Georgia kommen auf Donald Trump im Wahlkampf nun vier Gerichtsprozesse zu
© Alex Brandon / DPA
Donald Trump sammelt Anklagen wie andere Leute Briefmarken. In Georgia werden dem Ex-Präsidenten erneut Wahlbeeinflussung und Verschwörung vorgeworfen. Und doch könnte Verfahren Nummer vier besonders heikel für ihn werden.

Eine weitere Anklage, ein weiterer Prozess. Zum vierten Mal in vier Monaten wird der ehemalige US-Präsident Donald Trump in einem Strafverfahren angeklagt – diesmal in Georgia. Dort wirft die Staatsanwaltschaft Trump vor, sich mit Verbündeten verschworen zu haben, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 in dem entscheidenden Südstaat zu kippen.

Was im April noch beispiellos war, ist in den USA inzwischen zur absurden Routine geworden. Mit den neuen Anklagepunkten in 13 Fällen werden Trump nun insgesamt 91 Fälle zur Last gelegt. Die jüngste Anklage thront noch immer auf Titelseiten und ist Top-Thema in TV-Talkshows. Doch die Nachricht, dass ein früherer Präsident – und noch dazu einer, der erneut aufs Weiße Haus schielt – als Krimineller betitelt wird, hat an Wucht verloren.

Dabei verdient gerade der Fall aus Georgia höchste Aufmerksamkeit. Zwar läuft gegen den Ex-Präsidenten bereits eine ähnliche Anklage zur Wahlbeeinflussung auf Bundesebene in der Hauptstadt Washington. Doch das Verfahren in Atlanta nimmt Trumps Angriff auf die amerikanische Demokratie wie kein anderes in den Fokus.

1. Anklage nimmt Donald Trump und Verbündete mit Mafia-Gesetz ins Visier

Die Vorwürfe in der 98-seitigen Anklageschrift haben es in sich. Der größte Unterschied zu den anderen Anklagen: Es geht nicht nur Trump an den Kragen. Neben dem Ex-Präsidenten müssen sich 18 weitere Personen vor Gericht verantworten – darunter sein ehemaliger Anwalt Rudy Giuliani sowie sein früherer Stabschef Mark Meadows. Es geht um Falschaussagen, die Einreichung gefälschter Unterlagen sowie der Vorwurf, Trump und seine Verbündeten hätten öffentliche Amtsträger dazu gedrängt, ihren Amtseid zu verletzen. Insgesamt hat Staatsanwältin Fani Willis 19 Anklagepunkte in 41 Fällen gegen die 19 Beschuldigten aufgelistet.

Besonders teuer könnte Trump und seine Komplizen das sogenannte Rico-Gesetz zu stehen kommen. Ein Gesetz des Staates Georgia, das erlassen wurde, um gegen Schutzgelderpressung der Mafia vorzugehen und üblicherweise für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität angewendet wird. Es ermöglicht der Anklage, die Straftaten verschiedenster Beteiligter zu einem Paket zusammenschnüren und gegen mehrere Angeklagte gleichzeitig als Teil einer kriminellen Vereinigung vorzugehen. Nun also gegen Trump und seine Komplizen. Ein weiterer Vorteil für die Anklage: Die Haftstrafen sind so drastisch, dass die Motivation für Mitangeklagte sehr hoch ist, gegeneinander auszupacken. 

Der frühere Präsident und die weiteren Angeklagten hätten sich "wissentlich und vorsätzlich an einer Verschwörung zur rechtswidrigen Änderung des Wahlergebnisses zugunsten von Trump" beteiligt, so Staatsanwältin Willis. All deren Bemühungen hätten das "illegale Ziel" gehabt, Trump zu helfen, eine weitere Amtszeit als Präsident an sich zu reißen.

2. Kern der Anklage sind Falschaussagen und Aufruf zum Eidbruch

"Ich will nur 11.780 Stimmen finden (...), weil wir den Bundesstaat gewonnen haben."

Es ist dieser Satz aus Trumps berüchtigtem Anruf bei Georgias oberstem Wahlaufseher Brad Raffensperger, der weltweit für Aufschrei sorgte und wie kein anderer für Trumps zahlreiche Versuche steht, sich eine weitere Amtszeit zu erschleichen. Georgia war einer der Bundesstaaten, die bei den Wahlen 2020 eine Schlüsselrolle spielten. Der Demokrat Joe Biden gewann dort nur ganz knapp mit etwa 12.000 Stimmen Vorsprung. Wie auch in anderen Staaten, bemühte Trump sich, seine Wahlniederlage dort nachträglich ändern zu lassen.

Diese Versuche von Trump und seinen Verbündeten – zum einen durch Falschaussagen über Wahlbetrug, zum anderen die Aufforderungen von Amtsträgern ihren öffentlichen Eid zu verletzen – stehen nun im Zentrum der Anklage von Staatsanwältin Willis. Mit Trumps bisheriger Strategie, solche Aussagen würden unter die freie Meinungsäußerung fallen, dürfte er in Georgia nicht weit kommen. Die Anklage stützt sich hierbei auf ein Gesetz des Bundesstaates, das "die Abgabe einer falschen, fiktiven oder betrügerischen Erklärung oder Darstellung (...) in allen Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit einer Abteilung oder Behörde der Landesregierung fallen" verbietet. Über 100 Mal lässt sich in der Anklageschrift das Wort "Falschaussage" finden.

3. Zeitspanne geht weit über Wahlen 2020 hinaus

Nachdem US-Präsident Joe Biden unter den Nachwehen des 6. Januar offiziell vereidigt worden war, drängten viele Republikaner Trump dazu, nicht mehr von einer "gestohlenen Wahl" zu sprechen. Ihre Sorge war groß – und berechtigt – dass seine nicht nachgewiesenen Vorwürfe der Partei mehr schaden als nützen würden. Doch der Ex-Präsident ließ sich davon nicht zurückhalten, wie die Anklage in Georgia schwarz auf weiß beweist.

Eines der auffälligsten Details dazu findet sich im 38. und 39. Anklagepunkt wieder. Diese sind auf den 17. September 2021 datiert, also fast acht Monate nach Trumps Amtszeit. Beide Punkte nehmen Bezug auf einen Brief, den Trump an Raffensperger schickte, inklusive eines Berichts, in dem er behauptete, dass 43.000 Stimmzettel im DeKalb County nicht ordnungsgemäß gehandhabt worden seien. Der Ex-Präsident schlug Raffensperger demnach schriftlich vor, "den Prozess der Aufhebung der Wahlurkunde oder was auch immer das richtige Rechtsmittel ist, einzuleiten und den wahren Gewinner bekannt zu geben."

Seine anhaltenden Wahllügen kosteten die "Grand Old Party" bei den Zwischenwahlen 2022 entscheidende Stimmen. Nun erhält auch Trump mit der Anklage in Fulton County die Quittung.

4. Größere Transparenz dank TV-Übertragung

Was die amerikanische Öffentlichkeit betrifft, wird der Prozess in Georgia aus einem weiteren Grund hervorstechen: Im Gegensatz zu den anderen Verfahren auf Bundesebene könnte der Fall in Atlanta live im Fernsehen übertragen werden. Bereits die Stunden vor der Veröffentlichung der Anklage waren in dieser Hinsicht bemerkenswert. Wurden die entscheidenden Worte gegen Trump in New York, Miami und Washington hinter verschlossenen Türen gesprochen, konnte diesmal über die TV-Kameras verfolgt werden, wie die Anklagepapiere dem Richter vorgelegt wurden.

Ähnlich wie bei den Ausschussanhörungen des Repräsentantenhauses zum 6. Januar könnte eine Übertragung ein gewisses Maß an Transparenz in das hochpolarisierte Verfahren bringen. Bereits kurz nach Veröffentlichung der Anklage hatten Trump und seine Anwälte schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erhoben. "Klingt für mich manipuliert!", schrieb Trump auf seinem "Truth Social"-Netzwerk und sprach abermals von "Hexenjagd". Eine Fernsehübertragung würde Zuschauern hingegen die Chance geben, sich mit eigenen Augen ein Bild des Geschehens im Gerichtssaal zu machen.

5. Schwieriges Timing, höhere politische Kosten

Die große Frage ist, wann dies der Fall sein wird. Alle Angeklagten haben laut der Staatsanwaltschaft bis zum 25. August Zeit, vor Gericht zu erscheinen, um sich den Vorwürfen zu stellen. Staatsanwältin Willis kündigte an, dass sie einen Prozessbeginn innerhalb der nächsten sechs Monate anstrebt. Ein ambitionierter Zeitplan, der jedoch angesichts von Trumps überfülltem juristischen Terminkalender und der Fülle an Angeklagten als schwer einzuhalten gilt.

Doch selbst wenn sich der Prozess verzögert, könnte die Anklage in Georgia einen langen Rattenschwanz nach sich ziehen. Einen, von dem sich Trump selbst, wenn er wieder Präsident werden sollte, nicht so schnell befreien könnte. Da das Verfahren auf Bundesstaatsebene stattfindet, könnte er es selbst aus dem Oval Office heraus weder stoppen noch sich im Falle einer Verurteilung selbst begnadigen. Heißt im Klartext: Wird Trump in Atlanta für schuldig befunden, müsste er ins Gefängnis.

Quellen: "NY Times", "Washington Post", "CNN", mit DPA und AFP-Material