Ex-US-Präsident vor Gericht Die Anklagen gegen Donald Trump sind eine Chance für Amerika

Donald Trump Bedminster
Donald Trump macht aus seiner Verachtung für den Rechtsstaat keinen Hehl, attackiert und beleidigt unliebsame Staatsanwälte.
© Timothy A. Clary / AFP
Der Ex-Präsident wird nun auch in Georgia wegen versuchten Wahlbetruges angeklagt. Den USA stehen nervenaufreibende Monate bevor. Das Land braucht ein reinigendes Gewitter.   

Es ist noch gar nicht lange her, da spottete Donald Trump. "Jedes Mal, wenn sie eine Anklage einreichen, steigen wir in den Umfragen", sagte der frühere Präsident bei einer Wahlveranstaltung in Alabama, kurz nach Eröffnung des dritten Verfahrens gegen ihn in der US-Hauptstadt Washington. "Wir brauchen eine weitere Anklage, um die US-Wahlen zu gewinnen."

Erneut geht es ums Kippen der Wahl

Nun ist die vierte Anklage da, diesmal im US-Bundesstaat Georgia. Donald Trump soll in 13 Punkten angeklagt werden. Erneut geht es um seine Versuche, das Ergebnis der vergangenen Präsidentschaftswahl zu kippen.  

 

Es spricht vieles dafür, dass Trump in den Umfragen auch von diesem Verfahren profitieren dürfte. Vor all den juristischen Auseinandersetzungen lag der Ex-Präsident zwar vorne, strauchelte aber. Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, schien ein ernsthafter innerparteilicher Konkurrent werden zu können. Dann kamen die Anklagen und Trump enteilte seinen Mitbewerbern so deutlich, dass selbst die Meinungsforscher staunten.  

Donald Trumps Wahlkampfgetöse

Die zweite Aussage von Trump, mit einer weiteren Anklage habe er die Wahl schon gewonnen, fällt in die Kategorie Wahlkampfgetöse. Zunächst müssen die Republikaner untereinander klären, ob sie tatsächlich mit einem Mann in die nächste Präsidentschaftswahl gehen wollen, der an vier Orten im Land immer wieder vor Gericht erscheinen muss – ob in New York City, Miami, Washington oder Atlanta. Die eigenen Parteistrategen sagen den Republikanern, dass die Wählerinnen und Wähler in der Mitte, die mal zu den Demokraten und mal zu den Republikanern neigen, die Anklagen gegen Trump als abschreckend empfinden dürften.  

Aber das schert die Partei, die sich auch gerne als Grand Old Party bezeichnet, herzlich wenig. Genau fünf Monate vor der ersten Vorwahl in Iowa spricht wenig dafür, dass sich die Republikaner von ihrem Idol abwenden. Die Funktionäre und Amtsträger stellen sich erneut hinter Trump, während der tobt. In der Welt der Republikaner führt Joe Biden persönlich einen Feldzug gegen seinen Amtsvorgänger an. Biden gegen Trump? Dann mit aller Kraft für Trump. So tickt ein Großteil der republikanischen Basis.  

Gerichtsverfahren sind auch eine Chance

In Washington rollen Analysten, Abgeordnete und Journalisten bei der Vorstellung, dass es im kommenden Jahr zu einer Neuauflage der vergangenen Wahl kommt, mit den Augen. Aber tatsächlich liegt darin auch eine Chance. Ja, Donald Trump polarisiert wie eh und je. Er macht aus seiner Verachtung für den Rechtsstaat keinen Hehl, attackiert und beleidigt unliebsame Staatsanwälte unentwegt. Er spricht sogar Drohungen aus ("Wenn ihr mich verfolgt, dann werde ich euch verfolgen") und beruft sich dabei auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung. Überhaupt, die Vorgänge, die ihm nun vorgeworfen werden, seien allesamt von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen. Ist das so? 

Es ist gut, dass Gerichte darüber nun entscheiden werden. Nach den Verfahren in Washington und Georgia dürfte feststehen, ob Trump tatsächlich Anführer einer Verschwörung war, um das Wahlergebnis auszuhebeln und die amerikanische Demokratie niederzureißen – oder eben nicht. 

 

Donald Trump ist nun ein Ex-Präsident gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren liefen (ohne Erfolg) und der nun vier Mal parallel angeklagt wird. Und dennoch könnte er bei der nächsten Präsidentschaftswahl auf dem Wahlzettel stehen. Noch ist völlig unklar, ob eines der Verfahren vor dem Wahltag abgeschlossen sein wird. Wenn es Donald Trump zurück ins Weiße Haus schafft, könnte er die Prozesse auf Bundesebene gegen sich einstellen oder sich selbst nach bereits gesprochenen Urteilen begnadigen. Da geht es um die Verfahren zum Wahlbetrug in Washington sowie um die Geheimdokumente in Florida.  

Georgia-Urteil kann Trump nicht aufheben

In Georgia ist die Lage eine andere: Wird er hier verurteilt, könnte er sich nicht selbst aus dem Gefängnis entlassen, weil das Verfahren auf Bundesstaatsebene stattfindet. Wird er dort für schuldig befunden, müsste er auf jeden Fall ins Gefängnis. Und sollte das Verfahren noch laufen, könnte er es als wiedergewählter Präsident auch nicht einstellen, weil die Justiz in Georgia nicht auf den Präsidenten in Washington hören muss.  

 

Die amerikanische Bevölkerung wird all das im Hinterkopf haben, wenn sie im November 2024 zur Wahl geht. Die USA sind auch fast drei Jahre nach seiner Abwahl noch nicht fertig mit Donald Trump. Wählt das Land ihn wieder, droht eine nie dagewesene Verfassungskrise. Ja, es werden nervenaufreibende Monate am permanenten Rand des kollektiven Zusammenbruchs. Doch die Verfahren gegen den Ex-Präsidenten bieten auch eine Chance. All die Vorwürfe gegen Trump werden nun vor Gerichten verhandelt. Er kann widersprechen und seine Sichtweise begründen. Danach folgen Urteile. Genau das könnte Amerika brauchen, um wieder zu sich zu finden.