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Ausschuss zum Kapitolsturm Wieso bei den Anhörungen über Trump immer wieder der Name Rudy Giuliani fällt

Rudy Giuliani
Rudy Giuliani bei einer Pressekonferenz
© CAP/MPI/RS ©RS/MPI/Capital Pictures / Picture Alliance
Donald Trump behauptet nach wie vor, die Präsidentschaftswahl gewonnen zu haben. Seine Sturheit mag Methode haben, Miterfinder der Lüge aber ist Rudy Giuliani – sein früherer Anwalt, Einflüsterer und Lautsprecher.

Rudy Giuliani war immer der Mann für alle Unmöglichkeiten. Als Bürgermeister von New York verwandelte er den kriminalitätsverseuchten Moloch wieder in die strahlende Metropole von einst. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 inszeniert er sich als großer Kümmerer und wurde zur Legende. Jahre später wollte er US-Präsident werden und versprach im Wahlkampf großspurig, Kubas legendären Revolutionsführer Fidel Castro stürzen sowie den ersten Menschen auf den Mars schicken zu wollen. Aus beidem ist nie etwas geworden. Aus seinem Wahlerfolg auch nicht.

Präsidentenflüsterer und Brunnenvergifter

Giuliani, mittlerweile 78 Jahre alt, gebürtig aus Brooklyn, hatte seine große Zeit da bereits hinter, aber seine Rolle als Präsidentenflüsterer und Brunnenvergifter noch vor sich. Wer den Juristen in den vergangenen Jahren öffentlich erlebt hat, sah einen geifernden Alten mit leichtem Irrsinn in den Augen und noch mehr Wahnsinn im Mund: "Wir können nicht zulassen, dass diese Gauner die Wahl von den Amerikanern stehlen", stieß er etwa im November 2020 auf einer Pressekonferenz aus. Es war so etwas wie der offizielle Auftakt zur Wahlbetrugsshow, die schon Monate vorgestellt wurde und mit der Donald Trump das Vertrauen in die Präsidentschaftsabstimmung unterminieren wollte. Jetzt, zwei Jahre später, beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit den Folgen der Kampagne, die ohne Rudy Giuliani so nicht möglich gewesen wäre.

Seit mehr als einem Jahr ermitteln die Abgeordneten des US-Kongresses, wie es am 6. Januar 2021 zur Erstürmung des Kapitols in Washington gekommen war, welche Rolle der damalige Präsident Trump und dessen Behauptung gespielt habe, dass die US-Wahl "gestohlen" worden sei. Ehemaligen Präsidenten-Vertraute wie der frühere Justizminister William Barr sagten nun aus, dass niemand aus dem Umfeld des Weißen Hauses an die Erzählung von der gestohlenen Wahl geglaubt hätte – außer eben Giuliani, der als Anwalt und Berater offenbar einen unheilvollen Einfluss auf Trump hatte.

"Anscheinend betrunkener" Rudy Giuliani

Die Abgeordnete Liz Cheney, republikanische Parteifreundin und größte Kritikerin, sagte vor dem Ausschuss aus, Trump habe in der Wahlnacht nicht auf die mäßigenden Stimmen gehört, sondern auf einen "anscheinend betrunkenen" Rudy Giuliani. "Trumps Wahlkampf-Rechtsteam wusste, dass es kein legitimes Argument – Betrug oder Unregelmäßigkeiten oder irgendetwas gab – um die Wahl zu kippen." Obwohl noch längst kein belastbares Wahlergebnis vorlag, sei Giuliani herumgelaufen und habe Trump geraten, sich noch vor dem Ende der Stimmauszählungen zum Sieger zu erklären. Was der auch tat. Und bis zum heutigen Tag tut; obwohl es keine Beweise dafür gibt und zahllose Gerichte die Rechtmäßigkeit sowohl der Stimmabgabe als auch der Auszählung bestätigt haben.

Die ständige Wiederholung der Mär von der "gestohlenen Wahl" verfängt bis heute. Die Mehrheit der Republikaner glaubt daran, sogar manche Nicht-Trump-Wähler. Die "Big Lie" wie sie von den regierenden Demokraten genannt wird, gilt als entscheidende Erzählung, die den Sturm auf das Kapitols ausgelöst hat, bei der fünf Menschen starben und zahllose verletzt wurden. Ob dahinter sogar eine koordinierte Kampagne stand um die Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen und Trump im Weißen Haus zu halten, versucht der Untersuchungsausschuss zu klären.

Der Name des früheren New Yorker Bürgermeister jedenfalls ist bei den Anhörungen allgegenwärtig. So war es auch schon in der Vergangenheit, wenn die Schmutzwolken um Donald Trump mal wieder dichter wurden. Etwa bei der Ukraine-Affäre, in deren Folge 2019 das erste Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren US-Präsidenten eingeleitet worden war. Im Zuge einer Schmutzkampagne hatte Giuliani Vertreter der Ukraine aufgefordert, belastendes Material gegen den jetzigen US-Präsidenten Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu suchen.

In dem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Juli 2019 hatte Trump seinen Privatanwalt als "sehr kompetenten Kerl" angepriesen und darauf gedrungen, dass der und Justizminister Barr sich mit den ukrainischen Behörden zu Nachforschungen zu Biden kurzschließen sollten. In dem Zusammenhang kam es auch zu einem Treffen Giulianis mit einem Ukrainer, der als Agent im Auftrag Russlands Teil einer Desinformationskampagne gegen Joe Biden gewesen sei. Obwohl Donald Trump das Amtsenthebungsverfahren überstanden hatte, war die Ukraine-Affäre ein Desaster. Ein früherer Regierungsmitarbeiter wies Giuliani die Verantwortung für den Schlamassel zu: "Rudy – er hat das alles gemacht."

Schon 2016, im ersten Wahlkampf Trumps, hatte sich Giuliani zum Lautsprecher Trumps gemacht, mit mitunter bizarren Auftritten und faustdicken Lügen. Womöglich hatte er darauf gehofft, dass sich sein Einsatz in Form eines prestigeträchtigen Postens auszahlen würde – etwa mit dem Amt des US-Außenministers. Doch in Trumps Orbit ist so etwas wie Dankbarkeit nicht vorgesehen. Der New Yorker wurde Beauftragter für Cybersicherheit und später persönlicher Anwalt und bekam von Trump Worte wie "Rudy ist betrunken, Rudy ist fett" zu hören.

Nach der verlorenen Wahl lief der Jurist dann in der legendären Pressekonferenz zur Hochform auf: An der Seite von Präsidentensohn Eric wetterte er gegen die Briefwahl und vermeintlichen Betrug. "Die Stimmen könnten vom Mars stammen oder von den Demokraten selbst, Joe Biden hätte 50 oder 5000 Mal per Brief wählen können. Es ist Wahlbetrug hinter dem Venezuela stehe, eine kommunistische Verschwörung. Trump hat gewonnen, überall und mit großem Vorsprung", log er unverblümt in Journalistengesichter. Wenige Tage das gleiche Theater, diesmal aber auf einem traurigen Parkplatz zwischen einem Porno-Laden und einem Krematorium.

Giulianis Lüge wird bleiben

Rudy Giuliani wurde von der Queen zum Ritter geschlagen, hat die Ronald-Reagan-Freiheitsmedaille, war Times "Person of The Year". Mittlerweile darf er in kaum einem US-Bundesstaat noch als Anwalt arbeiten, und zu allem Überfluss hat es sein Phantasiegewäsch mittlerweile in den offiziellen republikanischen Geschichtskanon geschafft. Und ein Ende der Konsequenzen für die Demokratie der Vereinigten Staaten ist nicht abzusehen.

Quellen: DPA, AFP, "BazOnline", "Frankfurter Rundschau", Munzinger

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