Wahlsieg in Estland Kaja Kallas, Europas "neue eiserne Lady"

Kaja Kallas, Ministerpräsidentin von Estland, wird auch "Europas neue eiserne Lady" genannt
Kaja Kallas, Ministerpräsidentin von Estland, wird auch "Europas neue eiserne Lady" genannt
© Kenzo TRIBOUILLARD / AFP
Überraschend deutlich hat Kaja Kallas, Estlands Regierungschefin, die Parlamentswahl in ihrem Land gewonnen – auch, weil sie klare Kante gegen Wladimir Putin zeigt. Der Grund dafür liegt in ihrer Familiengeschichte.

Es ist ihre resolute Unterstützung für die Ukraine, die Kaja Kallas diesen Wahlsieg eingefahren haben dürfte: Ihre moderat konservative Reformpartei siegte bei der Parlamentswahl am Sonntag deutlich, kam auf mehr als 30 Prozent. Besser als erwartet.

Das EU- und Nato-Land Estland grenzt im Osten an Russland, eben jenen Staat, der die Ukraine vor mehr als einem Jahr angegriffen hat. Keine Überraschung, dass der Krieg gegen die Ukraine und die Aggressionen Russlands die Themen dieser Wahl waren – und die von Kallas.

Die Ministerpräsidentin Estlands ist eine entschiedene Befürworterin von Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Balten-Staat gehört auch zu den größten Unterstützern der Ukraine: Estlands Militärhilfe entspricht derzeit mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung ist das mehr als bei jedem anderen Land.

Kaja Kallas' Vater war schon Ministerpräsident von Estland

"Unser aggressiver Nachbar ist nicht verschwunden und wird auch nicht verschwinden. Wir müssen also damit umgehen", sagte Kallas am Wahlabend mit Blick auf Russland.

Die 45-Jährige hat die Politik im Blut: Ihr Vater ist Siim Kallas, ehemaliger Regierungschef Estlands und EU-Kommissar. Kaja Kallas folgte den politischen Fußspuren ihres Vaters. Nach einem Jura-Studium in Tartu und einem Master of Business Administration trat sie 2011 in die von ihrem Vater gegründete Reformpartei ein. Später ging sie ebenfalls in die EU-Politik, als Abgeordnete im EU-Parlament. 2021 wurde sie dann Ministerpräsidentin des 1,3-Millionen-Einwohner-Landes.

Kallas ist nicht nur eine starke Partnerin der Ukraine, sondern auch Gegnerin Wladimir Putins. "Die Ukraine kämpft auch für Estland", betonte sie zum wiederholten Mal in einer Fernsehdebatte. Sie will die Stärkung der Nato-Ostflanke, auch an der rund 300 Kilometer langen Grenze zu Russland.

Als Kind atmete Kaja Kallas "die Luft der Freiheit" ein

Der Grund für Kallas' klare Kante gegenüber Russland liegt in ihrer Familiengeschichte: Kallas' Mutter, Großmutter und Urgroßmutter wurden unter der Stalin-Diktatur nach Sibirien deportiert, sagte sie in einer Rede vor dem EU-Parlament.

Ihr Vater war es, der ihr als Erster Freiheit näher brachte: Als es den Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion dank Gorbatschows Reformen möglich wurde, ins sozialistische Ausland zu reisen, fuhr Familie Kallas 1988 nach Ost-Berlin. So nah an den Westen, wie es nur ging. "Atme tief ein, das ist die Luft der Freiheit, die von der anderen Seite kommt", sagte ihr Vater. Sie selbst habe damals nicht gewusst, was Freiheit ist. Estland war zu diesem Zeitpunkt noch Teil der Sowjetunion. Erst drei Jahre später wurde Estland wieder unabhängig.

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Diese familiären Erfahrungen haben Kallas – wie so viele andere Menschen in Estland, Lettland und Litauen – geprägt. Sie sind der Grund für das Misstrauen gegenüber Russland. Sie sind der Grund dafür, warum die baltischen Staaten in Nato und EU sind. Die wiedererlangte Freiheit soll vor dem imperialistischen Russland geschützt werden. Das will auch Kallas.

Kallas gehört einer neuen Generation von Politikerinnen an

"Man könnte sagen, dass wir Esten Erfahrungen mit Russland haben, die wir seit unserem Beitritt mit der Europäischen Union zu teilen versuchen", sagte Kallas in ihrer Rede vor dem EU-Parlament.

Ihre Standhaftigkeit im Ukraine-Krieg und gegenüber Russland brachten Kallas den Spitznamen "Europas neue eiserne Lady" ein. Eine Anspielung auf die ebenso resolute Margaret Thatcher. 

Das "Time"-Magazin kürte sie auch deshalb zu den "Führungsfiguren von morgen". Eine Auszeichnung, die auch Annalena Baerbock und Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin erhielten. Beide gehören einer neuen Generation von Politikerinnen an, die anders Politik machen. Dazu gehört zweifelsohne auch Kaja Kallas.

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