EU-Gipfel Sie siegen oder verlieren gemeinsam

Eine EU-Verfassung wird nicht Verfassung heißen - darüber sind sich die 27 Staats- und Regierungschefs einig. Wie aber die Stimmengewichtung in Zukunft aussehen wird, ist mehr denn je ungewiss. Vor allem, weil Polen seinen harten Kurs gegenüber Deutschland verschärft.

Die Veto-Drohungen aus Warschau gegen eine neue Machtverteilung in einer reformierten EU führen möglicherweise zu einem deutsch-polnischen Gipfel-Duell. Ein Scheitern des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs Ende der Woche in Brüssel wird nicht mehr ausgeschlossen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft lehnte die von Polen verlangte Neuverhandlung der Stimmengewichtung in der EU oder eine Vertagung dieser Frage erneut ab. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kommentierte die Lage mit den Worten: "Das Problem ist ernst."

Kein "deutsch-polnisches Problem", bitte

Mehrere Außenminister von EU-Ländern warnten bei ihren Beratungen in Luxemburg intern davor, das Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem "deutsch-polnischen Problem" werden zu lassen, hieß es. Der tschechische Vizeregierungschef- und Europaminister Alexandr Vondra sagte, Deutschland und Polen müssten einen gemeinsam einen Weg finden: "Wir lassen Polen nicht alleine." In deutschen Delegationskreisen hieß es: "Wir gehen nach wie vor davon aus, dass ein Abschluss möglich sein könnte."

Polen verschärfte unterdessen die Auseinandersetzung um die künftige Stimmengewichtung in der EU mit einem neuen Papier, das vor allem auf "Blockade-Möglichkeiten" in der EU abzielt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte in Luxemburg Kompromisse von allen EU-Regierungen. "Das Endspiel um die Zukunft der europäischen Verfassung ist eröffnet. Es wird am Ende dieser Woche nur gemeinsame Verlierer oder gemeinsame Sieger geben."

Diplomatische Bemühungen laufen auf Hochtouren

Bis zu Beginn des Gipfels laufen die diplomatischen Bemühungen weiter auf Hochtouren. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy trifft in London mit Premier Tony Blair und seinem designierten Nachfolger Gordon Brown zusammen, um letzte Kompromisslinien auszuloten. London will die Grundrechtecharta nicht als rechtliche Grundlage der EU anerkennen und verlangt weitgehende Veto-Möglichkeiten in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Einigkeit gab es bei den Außenministern in Luxemburg, dass der neue EU-Vertrag nicht mehr als Verfassung bezeichnet wird. Auch wird es keine Hinweise auf Symbole der EU wie Hymne oder Flagge geben. Dies gilt als Entgegenkommen der Verfassungsbefürworter. Sie verlangen aber weiter, dass der verbindliche Charakter der Grundrechtecharta erhalten bleibt.

Eine Gipfel-Vereinbarung zu Neuverhandlungen über die institutionellen Reformen der EU ist für die Bundesregierung keine Lösung. Sonst würde das Problem über Jahre liegen bleiben, sagte Wilhelm. Nach dem Gipfel wäre das Zeitfenster wieder zu.

Polen will, dass das Gewicht der einzelnen EU-Staaten im Europäischen Rat mit der Quadratwurzel aus der jeweiligen Bevölkerungszahl berechnet wird. In einem neuen Papier, das in Luxemburg verteilt wurde, wird ausdrücklich auf Blockade- Möglichkeiten verwiesen. Polen wolle den Einfluss großer Mitgliedstaaten wie Deutschlands begrenzen, wie ausdrücklich betont wird.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok warnte vor einer Spaltung der EU. "Es soll niemand unter Druck gesetzt werden. Aber jeder muss wissen, dass, wenn der Verfassungsprozess gestorben ist, eine kleinere Gruppe von Ländern sich auf den Weg machen wird", sagte er der Nachrichtenagentur DPA. "Wir werden dann eine Spaltung Europas kriegen."

"Keine deutsche Erfindung"

Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), wies die polnische Position ebenfalls zurück. "Das, was jetzt auf dem Tisch liegt schon als Verfassungsvertrag, diese doppelte Mehrheit ist ja keine deutsche Erfindung, sondern das ist das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen", sagte Pöttering im ZDF-"Morgenmagazin".