Nach monatelangem Streit im Europäischen Parlament kann EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine zweite Amtszeit antreten. Das Parlament stimmte am Mittwoch in Straßburg mit 382 Stimmen für den 53-jährigen Portugiesen. Für ihn votierten vor allem Christdemokraten, Konservative und Liberale. 219 Abgeordnete, vor allem Grüne und Linke, stimmten gegen Barroso. 117 Parlamentarier, die meisten Sozialdemokraten, enthielten sich.
Barroso hatte sich im Parlament um eine möglichst breite Zustimmung für ein zweites Mandat bemüht. Er war im Juni einstimmig von den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten vorgeschlagen worden. Die von diesen gewünschte Zustimmung des Parlaments noch im Juli war von der Volksvertretung abgelehnt worden. Stattdessen hatte das Parlament vor der Abstimmung ein politisches Programm und Anhörungen Barrosos gefordert.
Zugeständnisse an Kritiker
Vor allem bei Sozialisten, Grünen und der Fraktion der Vereinigten Linken, der auch Vertreter der deutschen Linkspartei angehören, war Barrosos politische Bilanz auf heftige Kritik gestoßen. Sie hielten ihm vor, sich zu wenig gegen die Mitgliedstaaten durchzusetzen. Die Grünen warfen ihm Versagen beim Klimaschutz vor. Sozialisten und Linke prangerten an, die Barroso-Kommission habe eine unsoziale Politik betrieben und den Binnenmarkt zu radikal liberalisiert.
Seinen Kritikern hatte der Portugiese noch am Vortag der Abstimmung einige Zusagen gemacht. So versprach er unter anderem, mehr als bisher gegen Sozial- und Lohndumping vorzugehen. Dazu stellte er eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie in Aussicht. Außerdem kündigte er an, künftig solle es einen Kommissar für Klimaschutz geben. Die absolute Mehrheit der Abgeordneten erreichte Barroso mit Zugeständnissen vor allem an liberale Parlamentarier. So kam er ihrer Forderung nach, einen Kommissar für Grundrechte zu schaffen.
"Meine Partei ist Europa"
Barroso versicherte in einem Appell an seine Kritiker, die neue Kommission werde politisch, aber nicht parteiisch sein: "Meine Partei ist Europa." Zudem wolle er in den kommenden fünf Jahren enger mit dem Europaparlament zusammenarbeiten. Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt begrüßte Barrosos Wiederwahl: "Dies gibt uns die nötige Stabilität, um uns vollkommen auf wichtige Herausforderungen wie die Wirtschaftskrise und den Klimawandel zu konzentrieren."
Wer bekommt welchen Posten?
Die fünfjährige Amtszeit Barrosos und der gesamten EU-Kommission endet am 31. Oktober. Nur die Kommission hat das Recht, Gesetze in der EU vorzuschlagen, zudem wacht sie über die Einhaltung des EU-Rechts.
Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident kann sich bald daran machen, seine neue Kommission zusammenzustellen. Doch steht erst nach der Volksabstimmung über den EU-Vertrag von Lissabon in Irland am 2. Oktober fest, welche rechtliche Grundlage gilt. Sollte der Lissabon-Vertrag in Kraft treten, behält jedes Mitgliedsland einen Kommissarsposten. Fällt er durch, gilt der Vertrag von Nizza weiter. Nach diesem muss die Kommission um mindestens eine Stelle verkleinert werden. Während andere Mitgliedsstaaten hinter den Kulissen bereits ihre Anwärter in Position bringen, hat sich die Bundesregierung vor der Bundestagswahl auf keinen Kandidaten für die Nachfolge des Sozialdemokraten Günter Verheugen festgelegt.