Russland umgeht nach Angaben des Münchner Ifo-Instituts einen Großteil der Sanktionen bei westlichen Gütern über frühere Sowjetrepubliken, China und die Türkei. Wie das Forschungsinstitut am Mittwoch mitteilte, exportierten Armenien, Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und der Nato-Staat 2022 50 Mal mehr Güter nach Russland, die kritisch für die russische Wirtschaft oder wichtig für die Militärindustrie sind, als sie 2019 an allgemeinen Gütern in alle Zielländer exportierten.
"Dies deutet mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auf Sanktionsumgehung hin", erklärte die Ifo-Außenwirtschaftsexpertin Feodora Teti. Das Ifo schaute sich dazu Handelsdaten für sanktionierte Güter an, darunter Fahrzeuge, Kugel- und Rollenlager. Grundlage der Auswertung ist eine Analyse der russischen Handelsströme. Demnach haben sich die russischen Importe bedeutender Wirtschaftsgüter und militärisch wichtiger Bauteile aus diesen Nachbarregionen in den vergangenen Jahren vervielfacht.
Seit März 2022 kommen demnach zudem acht Prozent aller russischen Einfuhren von Gütern, die wichtig für russische Waffensysteme und die militärische Entwicklung sind, aus den GUS-Ländern. Bei den Gütern, die kritisch für die russische Wirtschaft sind, kommen drei Prozent aller Einfuhren nach Russland aus den GUS-Ländern. In der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten hat sich ein Großteil der ehemaligen Sowjetrepubliken zusammengeschlossen.
Halbleiter aus Hongkong und Datenträger aus Kasachstan
Die EU hat in zwei Listen festgelegt, welche wirtschaftlich bedeutenden Güter (economically critical goods) und militärisch wichtige Bauteile (common high priority items) nicht mehr nach Russland exportiert werden dürfen. Die erste Liste umfasst unter anderem Maschinen, Motoren, Kräne, Schaufellader oder Betonmischer, um nur einige Beispiele zu nennen. Mit der zweiten Liste sanktioniert die EU den Export elektronischer, elektrischer und mechanischer Bauteile, die die russische Rüstungsindustrie etwa für den Bau von Raketen oder Kampfhubschraubern benötigt. Darunter fallen beispielsweise Halbleiter, Speicherchips, Navigationstechnologie, aber auch elektrische Stecker, Kugellager und optische Bauteile.
So importiert Russland laut Studie mittlerweile viele Halbleiter aus Hongkong. In Zentralasien spielt den Autoren zufolge Kasachstan die Hauptrolle bei der Umgehung der Sanktionen. Exorbitant angestiegen sind demnach seit 2022 unter anderem die russischen Einfuhren von Datenverarbeitungsgeräten aus Kasachstan.
Politisch brisant ist vor allem die Einschätzung der Autoren, dass die Türkei bei der Umgehung der Sanktionen eine Rolle spielt. Über den Nato-Staat laufen demnach hauptsächlich Exporte von Gütern der ersten Liste, darunter mechanische und elektrische Maschinen.
Das sind die größten Verlierer der westlichen Sanktionen

Der ehemalige Besitzer der FC Chelsea ist der Prototyp eines russischen Oligarchen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nutzte er seine Kontakte in die Politik und konnte ein verzweigtes Firmenimperium aufbauen, indem er ehemals staatliche Unternehmen aufkaufte. Reich wurde Abramowitsch vor allem mit dem Ölkonzern Sibneft, an dem er zeitweise 80 Prozent der Aktien hielt. Hinzu kamen Beteiligungen am Aluminiumkonzern Rusal und der Fluggesellschaft Aeroflot. Von 2000 bis Juli 2008 war er Gouverneur der russischen Region Tschukotka. Einen Großteil seiner Unternehmensanteile verkaufte er Anfang der 2000er Jahre – unter anderem an den halbstaatlichen Konzern Gazprom.
Neue Sanktionen gegen Russland aus der EU und den USA
Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Europäische Union neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Erstmals betreffen die Sanktionen auch Firmen auf dem chinesischen Festland, die militärisches Material an Russland liefern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, die EU schränke mit den neuen Strafmaßnahmen "Russlands Zugang zu Drohnen weiter ein". Zudem stünden dann insgesamt rund 2000 Verantwortliche für den Ukraine-Krieg auf der europäischen Sanktionsliste. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell werden fast 200 Namen neu aufgenommen. Zudem verschärften die Europäer die Gangart bei Sanktionsumgehungen.
Nach Diplomatenangaben sind vor allem neue Exportverbote vorgesehen. Unter anderem wird europäischen Unternehmen der Handel mit drei Firmen vom chinesischen Festland untersagt, die militärisch nutzbare Güter nach Russland liefern.
Die Strafmaßnahmen betreffen zudem den nordkoreanischen Verteidigungsminister, der Raketen an Moskau geliefert haben soll. Gegen ihn und weitere nordkoreanische Verantwortliche werden Einreiseverbote und Vermögenssperren in der EU verhängt. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin im September besucht. Dabei vereinbarten beide Seiten offenbar auch eine engere militärische Zusammenarbeit.
Das 13. Sanktionspaket sei eines der "bisher umfangreichsten" der EU, erklärte der belgische Ratsvorsitz nach der Grundsatzeinigung der Ständigen Vertreter der Mitgliedsländer. Der formelle Beschluss im schriftlichen Verfahren wird demnach vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine am Samstag erwartet.
Die USA wollen am Freitag zudem neue Strafmaßnahmen gegen Moskau wegen des Todes von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny verkünden. Damit zögen die USA "Russland für das, was Herrn Nawalny geschehen ist, zur Verantwortung", hatte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag gesagt.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Montag bei einem Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel ebenfalls Sanktionen im Zusammenhang mit Nawalnys Tod angekündigt. Diplomaten zufolge dürften die EU-Maßnahmen jedoch erst im März beschlussreif sein.