Am 24. Juli 2008 schwappte die Obamania endgültig nach Deutschland: Nie zuvor wurde der Auftritt eines einfachen US-Senators so sehnlich erwartet, wie der Barack Obamas an der Siegessäule. 200.000 Berliner säumten an diesem Tag die Straßen und feierten einen Mann, dessen Charisma nicht nur die Deutschen, sondern gleich die halbe Welt verzauberte. Demnächst stehen in den USA wieder Wahlen an, doch Obama braucht Europa nicht mehr, nicht einmal als Fanbasis. Jetzt, genau vier Jahre später, besucht sein Herausforderer Mitt Romney die alte Welt. Kreischende Menschenmassen werden ihn nicht begrüßen.
Großbritannien, Israel und Polen stehen bei Romneys erstem Auslandstrip als Präsidentschaftskandidat auf dem Besuchsprogramm. Die Reise wurde wohl bewusst als Anti-Obama-Tour konzipiert. Denn alle Länder haben gemein, dass ihre Führungen dem amtierenden US-Präsidenten nicht sonderlich zugetan sind.
Freitag London, Sonntag Tel Aviv
Da wäre etwa Großbritannien, der verlässlichste Verbündete in Europa, vor allem in Kriegszeiten. Selbst die US-Konservativen rechnen dem sozialdemokratischen Ex-Premierminister Tony Blair bis heute hoch an, wie er Seit an Seit mit den USA einst Iraks Diktator Saddam Hussein stürzte. Romney wird Blair, heute Sondergesandter des Nahost-Quartetts, ebenso treffen, wie den aktuellen und konservativen Regierungschef David Cameron. Praktischerweise beginnen am Freitag die Olympischen Spiele, an dessen Eröffnungsfeier der Präsidentschaftskandidat teilnehmen wird. Für ihn eine gute Gelegenheit, an seine Führungsqualitäten zu erinnern. Denn Romney war maßgeblich für das Management der Winterspiele in Salt Lake City vor sechs Jahren verantwortlich, für die er noch heute allseits gelobt wird.
Am Sonntag absolviert der Republikaner dann den obligatorischen Abstecher nach Israel. Das traditionell enge Verhältnis zur USA hat unter der Präsidentschaft Obamas gelitten. Unter anderem auch, weil der erzkonservative Ministerpräsident Israels, Benjamin Netanjahu, das US-Staatsoberhaupt nie richtig ernst genommen hat. Romney hatte in seiner ersten außenpolitischen Rede am Dienstag erneut die "Nachgiebigkeit" Obamas in Sachen iranisches Atomprogramm kritisiert. Das Verhältnis zwischen dem Herausforderer und Netanjahu dagegen ist bestens. Beide kennen sich aus Studienzeiten seit mehr als 30 Jahren.
Romney will "lernen und zuhören"
Auch Romneys letzter Stopp in Polen ist eine Art Anti-Obama-Statement. Das Land gilt seit seiner Öffnung als Trutzburg des Pro-Amerikanismus. Zudem hegt Ex-Präsident Lech Walesa, auf dessen Einladung hin Romney nach Danzig kommt, wenig Sympathie für das derzeitige US-Staatsoberhaupt. Es ist vor allem Obamas Russlandpolitik, die Walesa als "töricht" bezeichnet. Damit liegt er ganz auf Kurs von Romney, der Russland weiterhin als großen geopolitischen Gegenspieler der USA betrachtet.
Auf seiner Europareise will der außenpolitisch unerfahrene Republikaner "lernen und zuhören", wie es aus seinem Beraterstab heißt. Offene Kritik am Amtsinhaber wird es nicht geben, wie es den diplomatischen Gepflogenheiten entspricht. Aber allein die Wahl der Stationen sagt viel über Romneys Vorstellung von Amerika und der Welt. Sicherheitshalber hat er in seiner Rede vor Armeeveteranen schon einmal deutlich gemacht, für was er steht: für ein "neues amerikanisches Jahrhundert".