Gaddafi-Besuch Ein Beduine in Brüssel

Bei seinem ersten Europa-Besuch seit 15 Jahren hat sich Muammar el Gaddafi für eine Normalisierung der Beziehungen stark gemacht. Auf sein Beduinenzelt wollte der libysche Staatschef auch im windigen Belgien nicht verzichten.

Auch im windigen Belgien wollte Muammar el Gaddafi nicht auf sein Beduinenzelt verzichten. Helfer schlugen es im Park des Brüsseler Schlosses Val Duchesse auf, in dem die belgische Regierung ihre Gäste unterbringt. Der libysche Revolutionsführer bestand auch bei seinem ersten Besuch im Westen seit 15 Jahren auf dem täglichen Gebet. Dafür brauchte er das blaue Zelt aus der Wüste. Vor der Nomadenbehausung war eine Parabolantenne für die moderne Telekommunikation aufgestellt.

Romano Prodi zog als Gastgeber dieser ungewöhnlichen Begegnung alle Register. Der aufgekratzt wirkende Präsident der EU-Kommission fuhr zum Flughafen, um den Staatschef aus Nordafrika zu begrüßen. Eine solche Ehre wird nur wenigen Gästen zuteil. Gaddafi kam erhobenen Hauptes die Gangway herunter. Sein Lächeln wirkte erstarrt. Er trug unter einem wollenen braunen Umhang ein weißes Hemd. Unter einer roten Kappe quollen schwarze Locken hervor.

Prodis "Bruder"

Der sonst eher reservierte Prodi umarmte seinen Gast und nannte ihn einen "Bruder". Der Italiener hob mehrfach die langjährigen Kontakte hervor, die ihn mit Gaddafi verbinden.

Später, auf der Bühne des Pressesaals der Kommission, schien Prodi seinen Augen nicht zu trauen. Während er über die verbesserte Zusammenarbeit in der Mittelmeerregion sprach, zogen hinter ihm vier Leibwächterinnen des Revolutionsführers auf. Das Blau ihrer Uniformen war etwas dunkler als das der Europafahnen mit den Sternen auf der Bühne.

Verabschiedung wie ein Popstar

Während Prodi Englisch sprach, ließ Gaddafi seinen Vortrag von einem Mitarbeiter übersetzen. Der Libyer würzte seine 30-minütigen Ausführungen mit Sätzen, die der Dolmetscher wie militärische Parolen vorbrachte: "Libyen ist die Brücke zu Europa", oder: "Libyen ist die Brücke zu Afrika." Von den Journalisten verabschiedete sich der Ex-Oberst wie ein Popstar mit dem Siegeszeichen - den zu einem V geformten Mittel- und Zeigefinger. Vor der Türe wartete für den bisherigen Outsider der Weltpolitik eine weiße, gestreckte Limousine - ohne amtliches Kennzeichen.

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Christian Böhmer/DPA