Der Martin Place in Sydney ist nicht so sehr ein Platz, mehr eine sehr lange Straße, Flaniermeile und Herz der australischen Metropole. Dort ist einer der größten U-Bahn-Umsteigebahnhöfe, dort arbeitet der Ministerpräsident, dort tummeln sich die Touristen in den zahllosen Läden, Restaurants und Cafés. Wie etwa in dem des Schokoladenriesen Lindt. 30, vielleicht auch 50 Gäste sind dort, als ein Mann, der sich selbst "The Brother", der Bruder, nennt, das Lokal stürmt und die Anwesenden als Geiseln nimmt. Offenbar ein Akt mit islamistischem Hintergrund. Der Unbekannte zwingt zwei Gäste, eine schwarze Flagge ans Fenster zu halten, auf dem das muslimische Glaubensbekenntnisses zu lesen ist.
Für Europäer ist Australien meist weit weg, Schlagzeilen produziert das Land selten. Aber Australien ist trotzdem immer mittendrin. Zumindest wenn es darum geht, die Krisen, Kriege und Konflikte der Welt zu beackern: Korea, Vietnam, Irak - stets und zuverlässig ziehen die Truppen aus Down Under Seit' an Seit' mit dem Verbündeten aus den USA in den Kampf. Es ist eine unerbrüchliche Waffenbrüderschaft, die schon seit dem Ersten Weltkrieg besteht.
Mit 17 der halben Welt gedroht
Damit aber zieht das Land auch die gleichen Feinde an wie der große Bruder aus Übersee. Vor wenigen Monaten sorgte ein Teenager aus Sydney für Aufregung, als er in einem Propagandavideo des Islamischen Staates (IS) dem Alliierten-Trio USA, Großbritannien und Australien androhte, nicht eher die Waffen niederstrecken zu wollen, bis die IS-Flagge über dem Weißen Haus wehen würde. 17 Jahre alt ist der fanatische Muslim gerade einmal, wenn er denn noch lebt. Nachdem er die Schule abgeschlossen hatte, war er offenbar sofort in den Nahen Osten aufgebrochen, seine Spur verliert sich irgendwo an der türkischen Grenze.
Das geschah Ende Oktober. Da hatten sich die Aussies gerade erst von gleich zwei islamistischen Schreckensmeldungen erholt: Im September hatten mutmaßliche Terroristen, allem Anschein nach Anhänger des IS, damit gedroht, in Sydney und Brisbane wahllos Bürger von der Straße zu entführen und vor laufenden Kameras enthaupten zu wollen. Es folgte der größte Anti-Terror-Einsatz in der Geschichte Australiens, bei dem 15 Menschen festgenommen wurden. Wenige Tage später stach ein Mann in Melbourne mit einem Messer auf zwei Polizisten ein, er wurde sofort von Beamten erschossen.
Gesetze noch einmal verschärft
Es ist sicher kein Zufall, dass sich die Vorfälle häufen, seitdem sich Australien in gewohnter Manier der Anti-IS-Koalition der USA angeschlossen hat. Innenpolitisch flankiert von im November noch einmal verschärften Sicherheitsgesetzen, die die Befugnisse der Geheimdienste erweitern und unter anderem auch vorsehen, dass selbst unverdächtige Bürger bis zu sieben Tag inhaftiert werden können. Kritik an den neuen Verordnungen hatte sich der konservative Regierungschef Tony Abbott als "unpatriotisches Verhalten" verbeten.
All die Maßnahmen aber schützen das Land kaum vor "Einzeltätern und Kleinstgruppen, die ohne große Planung Schrecklichstes, vielleicht auch spontan tun", wie Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß im "Spiegel" sagte. Dass es jetzt ausgerechnet Australien traf, ist vielleicht nicht nur Zufall, aber auch. Doch gefährdet ist wohl jedes Land, das sich in der einen oder anderen Form am Kampf gegen die Islamisten beteiligt. Auch Deutschland.