Die 27 EU-Regierungen starten heute einen neuen Anlauf, sich über die künftige Finanzierung der Europäischen Union bis 2020 zu einigen. In Brüssel soll dabei bis Freitag versucht werden, einen Ausgleich etwa zwischen den Interessen der großen Beitragszahler und den ärmeren EU-Ländern zu erzielen.
Deutschland ist als wirtschaftlich stärkstes Mitgliedsland traditionell der größte Beitragszahler, gehört aber auch zu den größten Empfängern von Geld aus dem EU-Haushalt. Die dicksten Brocken dabei sind Zahlungen an Landwirte, für strukturschwache Regionen - in Deutschland sind das die neuen Bundesländer - und für mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Wo geht das Geld hin?
In Brüssel muss nicht nur über die Gesamthöhe des künftigen EU-Finanzrahmens entschieden werden, sondern auch über die Verwendung des Geldes. Die Bundesregierung geht derzeit davon aus, dass Deutschland in den kommenden sieben Jahren mehr Geld an die EU zahlen und weniger zurückerhalten werde. "Die deutsche Nettozahlerposition wird sich verschlechtern", sagte ein Regierungsvertreter vor Beginn des Gipfels. Ein Grund sei die gute wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im Gegensatz zu vielen anderen Staaten der Gemeinschaft.
Doch die EU muss sparen, ist sich Berlin sicher. "Signifikantes Einsparpotenzial", heißt es, sehe die Bundesregierung unter anderem im Verwaltungshaushalt der EU. In Deutschland wird schon die jetzige Bezahlung der EU-Beamten als teilweise zu hoch kritisiert. Nun habe die EU-Kommission noch eine "relativ großzügige Steigerung vorgeschlagen", wird in politischen Kreisen in der Bundeshauptstadt moniert. Es sei klar, dass dieser Etatbereich wie alle anderen zur Konsolidierung beitragen müsse.
Ein Ende des monatelangen Budgetstreits ist aus deutscher Sicht auch auf diesem Gipfel unsicher. Berlin werde den Konflikt nicht durch einen "deutschen Scheck" lösen, zitierte die Nachrichtenagentur AFP einen Regierungsvertreter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beriet am Vorabend in Paris mit Frankreichs Präsident François Hollande über Möglichkeiten für eine Einigung.
"Ein deutscher Scheck ist keine Lösung"
"Die deutschen Zahlungen werden sich erhöhen, das wissen wir", sagte der deutsche Regierungsvertreter. "Aber die Lösung besteht nicht in einem deutschen Scheck, sondern die Lösung besteht in der Kompromissfähigkeit aller." Deutschland wolle die Ausgaben begrenzen und die Lasten gerecht zwischen den reichen Ländern verteilen.
Über die sogenannte Finanzielle Vorausschau für die Jahre 2014 bis 2020 wird seit Monaten gestritten. Die EU-Kommission fordert ein Budget in Höhe von gut 1000 Milliarden Euro und wird dabei vom Europaparlament unterstützt. Ein erster Versuch, den Streit beizulegen, scheiterte im November.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte zuletzt zusätzliche Kürzungen von rund 80 Milliarden Euro vorgeschlagen. Dies ging vor allem Deutschland und Großbritannien nicht weit genug. Van Rompuy will am Donnerstag einen neuen Kompromissvorschlag machen.
Ex-Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker warnte vor einem Scheitern des Gipfels. "Wir müssen ja auch nach außen hin deutlich machen, dass wir in Europa noch fähig sind, Beschlüsse zu fassen anstatt nur noch Beschlüsse zu vertagen", sagte Juncker dem Deutschlandfunk. Der Gipfel müsse ein "ernsthafter Versuch" sein, beim EU-Haushalt jetzt voranzukommen. "Die Außenwirkung einer Nichteinigung wäre desaströs angesichts der immer noch herrschenden Fragilität der Finanzmärkte."
Merkel und Hollande berieten sich kurz vor dem Freundschaftsspiel
Unmittelbar vor dem Fußball-Freundschaftsspiel Frankreich-Deutschland in Paris, das die Kanzlerin und der französische Präsident gemeinsam von der Tribüne aus verfolgten und das die deutsche Mannschaft am Ende 2:1 gewann, führten Merkel und Hollande im Stadion ein "kurzes, aber intensives Vorbereitungsgespräch" für den Gipfel, wie ein Sprecher der Kanzlerin sagte. Es sei um Möglichkeiten gegangen, wie in Brüssel "eine Einigung aussehen könnte". Nähere Angaben zum Verlauf der rund dreiviertelstündigen Unterredung machte der Sprecher nicht.
Berlin und Paris gehe es aber nicht um einen "förmlichen deutsch-französischen Vorschlag" für den Gipfel, hatte der deutsche Regierungsvertreter vor dem Treffen in Paris gesagt. Vielmehr wollten beide "mit einer gleichen Grundausrichtung in die Verhandlungen" gehen. Der französische Staatschef legt das Augenmerk weniger auf Einsparungen, er will besonders den Landwirten seines Landes möglichst hohe Hilfszahlungen aus Brüssel sichern.
Gelingt den Staats-und Regierungschefs eine Einigung, muss allerdings auch das EU-Parlament der Finanzplanung noch zustimmen. Sprecher aller wichtigen Fraktionen lehnten am Mittwoch drastische Kürzungen des Kommissionsvorschlags ab und drohten mit einem Veto. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief zu Kompromissbereitschaft auf und warnte vor einem neuen Scheitern des Gipfels.