Großbritannien im Obama-Fieber Yes, we can, can't we?

Die Briten lieben Barack Obama. Tausende Londoner feierten seinen Wahlsieg in der US-Botschaft, in exklusiven Clubs und auf der Straße. In dem multikulturellen Land hat Obamas Botschaft - "Ihr könnt alles schaffen" - besondere Strahlkraft. Die Aufbruchstimmung hat auch die Insel erfasst.

Der Schüler Joshua Ellison ist einer der Jugendlichen, vor denen viele Einwohner Londons inzwischen Angst haben. Mit einem grauen Tuch auf dem Kopf, goldener Halskette und schwarzer Haut entspricht er dem Klischee der englischen "Yobs", der Jugendlichen, die momentan vor allem durch mörderische Gewalttaten mit dem Messer in der Hand auffallen. In einem Interview mit der Tageszeitung "Guardian" erzählt der Schüler jedoch von ganz anderen Hoffnungen: "Wenn Obama gewinnt, dann ziehe ich nach Amerika, Mann! Und ich bin so aufgeregt und glücklich über den Sieg des Formel-1-Fahrers Lewis Hamilton. Wenn Menschen mit schwarzer Hautfarbe etwas so Großartiges fertigbringen, dann bleibt das in den Geschichtsbüchern. Wir reden alle in unserer Klasse über Amerika und all die Möglichkeiten dort. Vorher haben sie nur über Waffen geredet. Aber wenn die endlich jemanden hätten, zu dem sie aufschauen könnten, dann würden sie Alternativen sehen!"

Es ist nicht so, dass es diese Rollenvorbilder nicht auch in Großbritannien bereits gäbe. Seit Jahren schon sitzen Lords und Ladys karibischer, indischer, pakistanischer und asiatischer Abstammung im Oberhaus und wurden zu Rittern geschlagen. Es gibt bekannte Unternehmer, die Millionen gemacht haben, nachdem ihre Familien sich in Großbritannien niederließen, und der beliebteste Nachrichtensprecher, eine Art Uli Wickert Großbritanniens, ist seit Jahrzehnten der altehrwürdige Trevor McDonald, der 1939 in Trinidad geboren wurde.

Kolumnisten greifen dieses Gefühl der Neu-Orientierung auf

Und dennoch ist die Wahl Barack Obamas auch für die multikulturelle Gesellschaft Großbritanniens ein Meilenstein. "Sobald Barack Obama auftauchte, hörte ich mir alles an, was er sagte", erzählte der 20-jährige Anthony Lawrence in der vergangenen Woche in einem Radio-Interview. Der Schüler mit karibischen Vorfahren hat nie seinen Vater gekannt und ist von seiner Großmutter aufgezogen worden, auf deren Ratschläge er nie hörte. Sein Leben lang habe er auf der Straße verbracht. "Einer meiner Freunde wurde gerade erstochen. Er war 16 Jahre alt. Mensch, ich habe wirklich geheult. Aber Obama spricht zu mir, er lässt mich glauben, dass es einen Ausweg gibt aus dieser zerrissenen Welt."

Die ersten Kolumnisten greifen dieses Gefühl der Neu-Orientierung auf. Yasmin Alibhai-Brown ist in ihren Beiträgen zur politischen Diskussion in und um den Irak-Krieg nie damit aufgefallen, besonderes Verständnis für die Vereinigten Staaten zu zeigen. Sie schreibt nun in der Nachmittagsausgabe des "Evening Standards": "Dank Obama steigt die Hoffnung, dass Rassismus, auch wenn er immer mit seinen üblen und vernichtenden Auswirkungen da sein wird, überwunden werden kann von Opfern und Tätern." Es sind noch nicht einmal zwölf Stunden vergangen, seitdem der neue Präsident der Vereinigten Staaten feststeht, und schon sind die Vereinigten Staaten nach Jahren der harschen Kritik von britischer Seite wieder leuchtendes Vorbild.

Briten hoffen auf eine Korrektur der Beziehung zu den USA

Es ist ein Gefühl, dass sich am Tag Eins nach dem Sieg auch in den Reaktionen britischer Politiker findet. Zeitungen erinnern gerne an die ersten Worte Obamas nach seinem Besuch bei Premierminister Gordon Brown in der Downing Street in diesem Sommer. "Großartig" seien die Gespräche gewesen, sagte er damals, und Brown nannte Obama nun einen "wahren Freund Großbritanniens". Besondere Hoffnungen legen die Briten auf eine Korrektur der "besonderen Beziehung" zwischen der Insel und den Vereinigten Staaten. Auch die hatte Obama während seines Wahlkampfes versprochen. Der junge, dynamische Barack und der alte Hase Brown mit seiner über zehnjährigen Erfahrung in der Finanzpolitik, so die Hoffnung vor allem der Labour-Partei, könnten das neue transatlantische Traum-Paar werden.

Und während Gordon Brown wohl hofft, dass eine enge Zusammenarbeit mit Barack Obama auch seine eigenen Umfragewerten nach oben schnellen lässt, sieht sich der Oppositionsführer David Cameron gleich als Bruder im Geiste: "Barack Obama ist der erste einer Generation von politischen Führern, die den Wechsel einleiten werden." Es ist wohl kein Zufall, dass die konservative Partei Großbritannien als neuen Slogan die Worte "A Plan for Change" - Ein Plan für den Wechsel verabschiedet hat. Nur die Worte "Yes. We. Can" sind in Großbritannien schon vergeben: Sie sind der bekannte Ruf der Figur einer beliebten Kindersendung: "Bob, der Baumeister".

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