Unmittelbar vor Beratungen der Euro-Finanzminister über weitere Hilfen für Griechenland wächst der Unmut in den Koalitionsfraktionen über die geplanten Milliarden-Zahlungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte am Wochenende ihr Eintreten für eine freiwillige Beteiligung des privaten Sektors an den Hilfen und versicherte: "Natürlich werden wir versuchen, einen substanziellen Betrag der privaten Gläubiger zusammenzubekommen". Koalitionspolitiker kritisierten aber, damit falle Merkel hinter einem Bundestagsbeschluss zurück, der eine verbindliche Beteiligung vorsieht.
Eine Beteiligung privater Gläubiger als Teil des neuen Griechenland-Hilfspakets sei wichtig, sagte Merkel am Samstag vor CDU-Funktionären. Wenn die Inhaber von griechischen Staatsanleihen, die in ein oder zwei Jahren fällig werden, sich zum Beispiel bereiterklären würden, die Anleihen weitere fünf Jahre zu halten, senke dies den Refinanzierungsbedarf des Landes erheblich. Sie pochte erneut auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Es dürfe keine Situation entstehen, in der Griechenland als zahlungsunfähig eingestuft werde.
Finanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich vor Beginn der Verhandlungen der Euro-Finanzminister in Luxemburg zuversichtlich, dass man zu einer Lösung kommen werde. In ARD und ZDF bekräftigte er seine Forderung nach einer freiwilligen und zugleich substanziellen Beteiligung der Banken an den Hilfen. Ziel der Ausgestaltung der Griechenland-Hilfen müsse auch sein, zu verhindern, dass sich die privaten Gläubiger aus ihrem Engagement zurückzögen.
Der "Spiegel" berichtete, Schäuble wolle den Streit über die Beteiligung privater Gläubiger mit einem Kompromiss-Vorschlag entschärfen. Demnach will der CDU-Politiker vorschlagen, Griechenland im Rahmen des zweiten Hilfsprogramms auch Anleihen des europäischen Rettungsschirms EFSF zu gewähren. Die griechische Regierung solle diese dann an heimische Banken weiterreichen, damit die Institute die Anleihen als Sicherheit bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen können. So könnte ihre Geldversorgung durch die Notenbank gesichert werden. Der Plan würde jedoch bedeuten, dass sich das neue Rettungspaket deutlich verteuert, schreibt der "Spiegel".
In deutschen Regierungskreisen hieß es am Sonntag dazu, derzeit würden viele Modelle diskutiert, wie private Gläubiger beteiligt werden könnten. Dabei solle sichergestellt werden, dass keine unerwünschten Nebeneffekte eintreten. Eine der größten Gefahren ist, dass die Ratingagenturen Griechenland wegen der Verluste der privaten Gläubiger auf zahlungsunfähig herunterstufen und damit sehr wahrscheinlich schwere Verwerfungen über Griechenland hinaus auslösen.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann bestätigte der "Financial Times", man untersuche, ob es eine Form von Beitrag von der Investoren-Seite geben könne. Dabei dürfe nicht irgendeine Form von "Kreditereignis" ausgelöst werden. In diesem Fall würden die Ratingagenturen einen Zahlungsausfall Griechenlands feststellen.
Kritik in Koalitionsfraktion
Im Ton härter als Merkel forderte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer eine Beteiligung des Privatsektors: "Mir sagen Experten seit einem Jahr, dass eine Umschuldung Griechenlands nötig ist. Jetzt ist die Zeit für den Beginn einer Beteiligung privater Gläubiger gekommen", sagte er dem "Spiegel". Der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler kritisierte Merkel. "Das ist nicht die Gläubigerbeteiligung, die der Bundestag gefordert hat." Am 10. Juni hatte der Bundestag mit den Stimmen der Koalition die Beteiligung privater Gläubiger beschlossen.
Im "Tagesspiegel" warnte der CDU-Haushaltsexperte Klaus-Dieter Willsch, es werde nun schwierig, eine eigene Mehrheit im Bundestag zustande zu bringen. Die Opposition wittert bereits einen substanziellen Machtverlust der Kanzlerin. "Die Gefahr, dass Merkel scheitert, wird immer konkreter", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, "Spiegel Online". Wenn sie keine Mehrheit für die Griechenland-Hilfen bekomme, müsse es Neuwahlen geben.
In Griechenland warb Ministerpräsident Giorgos Papandreou bei der Vertrauensdebatte im Parlament eindringlich um Unterstützung für das heftig umstrittene Sparprogramm. Dort wurden ungeachtet der Kabinettsumbildung durch Papandreou die Proteste gegen den Sparkurs fortgesetzt. Rund 5000 Demonstranten der kommunistischen Gruppe PAME marschierten am Samstag zum Syntagma-Platz in Athen. Dabei skandierten sie "Die Maßnahmen töten uns".