Hollande in der Kritik Frankreich entwickelt sich zum Sorgenkind

Mit großen Versprechungen hatte der Sozialist Hollande vor einem Jahr die Präsidentenwahl in Frankreich gewonnen. Nun ist die Lage des Landes düsterer als zuvor - und der Staatschef in Erklärungsnot.

Ein Rückfall in die Rezession, nicht gehaltene Sparversprechen und Arbeitslosenzahlen in Rekordhöhe: Die einst so stolze Wirtschaftsnation Frankreich gilt in Europa als das neue Sorgenkind. Von Forderungen nach einem politischen Kurswechsel will Präsident François Hollande allerdings weiter nichts wissen. Nach seiner jüngsten großen Pressekonferenz wird dem Sozialisten nun mehr denn je Realitätsverweigerung vorgeworfen. Hollande sei ein Träumer und gehe wirklich wichtige Reformen nicht an, lautete am Freitag der Tenor in etlichen Kommentaren.

Bei der Ausformulierung der Kritik zeigten sich die Leitartikler wenig zimperlich. "Dieser Kontrast zwischen einer Situation, die jeder als fürchterlich ansieht, und dem Optimismus des Staatschefs ist verblüffend", schrieb die Tageszeitung "Le Figaro" zu Hollandes fast dreistündigem Auftritt am Vortag. "Er scheint der einzige zu sein, der noch an seine Politik glaubt" oder "Er träumt von besseren Zeiten", hieß es in anderen Kommentaren.

Bemängelt wird vor allem, dass Hollande trotz der Lage des Landes keine wirklich tiefen Einschnitte und Reformen wagt. Seine bei der Pressekonferenz mit großen Worten angekündigte Initiative für Europa besteht zum größten Teil aus bereits lange diskutierten Projekten wie einer Wirtschaftsregierung für die Eurozone. Die erneut ins Spiel gebrachte gemeinsame Kreditaufnahme ("Eurobonds") wird von deutscher Seite strikt abgelehnt und gilt damit als nicht durchsetzbar. "Keine einzige wirklich neue Idee", kommentierte die Wirtschaftszeitung "Les Echos".

Rainer Brüderle wirft Hollande Misswirtschaft vor

Sorgen machen sich allerdings nicht nur die Franzosen, denen es von Tag zu Tag schwerer fällt, den Durchhalteparolen ihres als Hoffnungsträger gestarteten Präsidenten Glauben zu schenken. Es sei der Wunsch jedes verantwortlichen deutschen Politikers, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft die Dinge beschließe, die notwendig seien für mehr Wettbewerbsfähigkeit, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag kurz vor der Pressekonferenz Hollandes.

FDP-Politiker wie Rainer Brüderle werfen der sozialistischen Regierung in Paris sogar offen vor, das Land herunterzuwirtschaften. Europa warte sehnsüchtig auf den Mitterrand-Moment bei François Hollande, sagte der Spitzenkandidat seiner Partei jüngst bei einem Parteitag. Brüderle bezog sich damit auf den Kurswechsel, den Frankreichs früherer sozialistischer Präsident François Mitterrand nach den ersten, wirtschaftlich erfolglosen Regierungsjahren eingeleitet hatte.

Hollande zeigt sich unterdessen bemüht, die deutsch-französischen Misstöne der vergangenen Wochen kleinzureden. In einem Interview des "Wall Street Journal" hatte er noch vor wenigen Tagen die Kritik von Parteifreunden an Merkel indirekt gestützt. Bei der Pressekonferenz am Donnerstag wollte er darauf nun nicht mehr eingehen.

Sein Job sei es nicht, beliebt zu sein

Er sei zuversichtlich, dass es trotz der bevorstehenden Wahlen in Deutschland Kompromisse in der EU-Politik geben werde, sagte er da ganz diplomatisch. Zum Urnengang an sich wollte sich Hollande, einstmals Chef der SPD-Schwesterpartei Parti Socialiste (PS), nicht näher äußern. "Ich werde keine Prognosen abgeben. Ich respektiere die deutschen Wähler."

Zumindest nach außen hin lassen Hollande Kritik und schlechte Umfragewerte ohnehin kalt. Sein Job sei es nicht, beliebt zu sein, sondern die richtigen Entscheidungen zu treffen, kommentiert der Staatschef zu Angaben von Meinungsforschern, die ihn als Präsidenten mit historisch schlechten Zustimmungswerten sehen. Er wolle am Ende seiner Amtszeit im Jahr 2017 und anhand seiner Entscheidungen für Frankreich beurteilt werden. Dass es bis dahin für sein Land und Europa wesentlich besser läuft, steht für Hollande außer Frage. "Frankreich ist nicht das Problem, Frankreich ist die Lösung", lautet die Losung.

DPA
Von amt/Ansgar Haase, DPA