Nach seinem Sieg im letzten TV-Duell steigt US-Präsident Barack Obama laut einer Umfrage dennoch nicht in der Gunst der Wähler. In einer am Dienstag veröffentlichten Reuters/Ipsos-Erhebung blieben die Werte für den Amtsinhaber und seinen Herausforderer Mitt Romney praktisch unverändert. Die Zustimmung für Obama kletterte zwar um einen Prozentpunkt auf 57 Prozent, doch das ist aus statistischer Sicht zu vernachlässigen. Romney gewann ebenfalls einen Punkt auf 54 Prozent.
Es werde mehrere Tage dauern, bis sich die TV-Debatte am späten Montagabend vollends in den Umfragen niederschlage, sagte Ipsos-Meinungsforscherin Julia Clark. Obama hatte das Duell gegen seinen republikanischen Gegner zwar gewonnen, muss aber weiter um den Wahlsieg bangen. Thema der Debatte in Florida war die Außenpolitik. Beide Kandidaten schwenkten jedoch wiederholt zu innenpolitischen und Wirtschaftsfragen über, die bei den Amerikanern einen deutlich höheren Stellenwert haben. Die europäische Presse spekuliert, welche Auswirkungen die TV-Debatte auf die Wahl hat, die am 6. November stattfindet, und bewertet inwiefern Europa für Amerika eine Rolle spielt.
"El País" (Spanien)
"Die Außenpolitik der USA ist ein wichtiges Thema für den Rest der Welt. Doch die Menschen außerhalb der USA dürfen den US-Präsidenten nicht wählen. Für die Amerikaner hingegen sind andere Themen wichtiger, wie der Arbeitsmarkt, die Steuern oder soziale Fragen.
In der Außenpolitik unterscheiden die Vorstellungen von Obama und Romney sich nicht besonders. Der US-Präsident verfolgte insgesamt einen vernünftigen Kurs. Er gewann für die USA verlorenes Vertrauen zurück, auch wenn er das Guantánamo-Lager nicht auflösen konnte. Die jüngste TV-Debatte wird - ebenso wie die vorige - das Wahlverhalten kaum beeinflussen."
"Jyllands-Posten" (Dänemark)
"Mitt Romney trat die letzte TV-Debatte mit Präsident Barack Obama mit ziemlich bescheidenen Zielen an. Er wollte den Eindruck einer kompetenten und glaubwürdigen Alternative zu Obama als möglicher US-Oberstkommandierender vermitteln. Ihm gegenüber saß ein Präsident, der seinen festen Griff um die Außenpolitik demonstrieren wollte.
Das Ergebnis war eine Debatte mit weit mehr Einigkeit als Streit. Sie hinterließ im Übrigen den Eindruck, dass die Vorbereitung des sichtlich nervösen Romney aus allenfalls einer kleinen Sammlung Notizen und vielleicht einem Buch über neuere Geschichte bestand. (...) Nichts deutet darauf hin, dass er neue außenpolitische Ideen hat oder mehr und anderes tun würde als das, was Obama schon getan hat."
"NRC Handelsblad" (Niederlande)
"Beide Kandidaten lassen keine Chance aus, die Außenpolitik auf das Inland zurückzuführen. Obama sagt es so: Wie kann Amerika die Welt führen, wenn es zu Hause die Dinge nicht in Ordnung bringt? (...) Dieses Primat der Innen- und Wirtschaftspolitik muss auch Europa zu denken geben. In der TV-Debatte über die große weite Welt wurde Europa nur einmal erwähnt - und das auch nur beiläufig. Sofern das Ausland für Amerika eine Rolle spielt, liegt es im Pazifik, im Nahen Osten und in Zentralasien. Aber sicherlich nicht in Europa. Aus amerikanischer Perspektive ist Europa an den Rand gedrängt. Wer auch immer nach dem 6. November in den USA Präsident wird, Europa ist für das Weiße Haus zweitrangig."
"Die Presse" (Österreich)
"Die Punkterichter gaben US-Präsident Barack Obama die besseren Haltungsnoten nach dem dritten TV-Duell gegen Mitt Romney. (...) Letztlich ist diese TV-Diskussion für den Wahlausgang irrelevant. Entschieden wird das Rennen nicht in der außenpolitischen, sondern in der wirtschaftlichen Arena. Und deshalb hat Romney immer noch gute Chancen."
"Der Standard" (Österreich)
"Es gibt zwischen Obama und Romney nur wenige inhaltliche Differenzen in der Sache. Obama verfolgt im Wesentlichen jene realpolitische Linie, auf die Außenministerin Condoleezza Rice in den beiden letzten Jahren der Bush-Regierung eingeschwenkt ist. Und auch Romney hat sich, nach dem scharfen republikanischen Vorwahlkampf, außenpolitisch zuletzt wieder in die Mitte bewegt. Ob Iran, Syrien oder China: "Es freut mich, dass Sie meine Position teilen", das war eine der am meisten gebrauchten Phrasen in Boca Raton. Zwei Realpolitiker also - es gibt schlechtere Nachrichten als diese."
"Le Monde" (Frankreich)
"Es ist eindeutig: Die Auslandspolitik wird bei der Wahl in den USA nicht die geringste Rolle spielen. Am Dienstag, den 6. November, wird für die Wählerinnen und Wähler nur ein einziges Kriterium entscheidend sein: die Wirtschaft. Das ist sehr schade für Präsident Barack Obama. Dieser hat (...) am 22. Oktober seinen republikanischen Gegenspieler Mitt Romney auf diplomatischem Feld überwältigt."
"Hannoversche Allgemeine Zeitung" (Deutschland)
"In der Politik muss man, wie im Sport, Leistungen an den Startbedingungen messen. In einer weltpolitischen Fernsehdebatte muss der amtierende Präsident nach vier Jahren Praxis zwangsläufig besser sein. Da muss er glänzen. Obama hat aber nicht geglänzt. Er war gut, er war sicher in der Ansage, geschickt in der Verteidigung, forsch im Ton. Aber das Mitreißende, wofür er vor vier Jahren gewählt worden ist, wofür er einige Jahre lang von einem Großteil der Weltbevölkerung verehrt wurde, ist nicht mehr da. Die eigentliche Überraschung ist: Romney tritt plötzlich ebenfalls auf wie einer, der Präsident sein könnte. Mehr noch: Er geriert sich als Friedenssucher - und nutzt mit ungewohnter Eleganz die Gunst des Moments."
"Leipziger Volkszeitung"
"Mehr als 40 Millionen US-Zuschauer saßen vor den Fernsehern, um das letzte Rededuell vor der Wahl zwischen Barack Obama und Mitt Romney zu verfolgen. Wieder einmal hatten sie die Gelegenheit, sich ein unmittelbares Bild von den beiden Präsidentschaftskandidaten zu machen. Doch auch nach der dritten Debatte stehen sie vor dem seltsamen Phänomen, die Konturen des republikanischen Herausforderers nicht so genau erkennen zu können. Der 65-Jährige, der Anfang des Jahres noch mit scharfen Tönen in den Vorwahlkampf zog, legt bemerkenswerte inhaltliche Wendungen hin: Staatliche Bürgschaften für schwächelnde Industriekonzerne, massive Förderung des staatlichen Schulwesens und ein großes Herz für die Ärmsten und für die Senioren - der Republikaner präsentiert all das als Selbstverständlichkeit, was für ihn noch vor wenigen Wochen undenkbar war."