Irak-Konflikt Powell: "Nicht mehr viel Zeit"

Der Bericht der UNO-Waffeninspekteure belegt nach Einschätzung der USA, dass Irak sich den Abrüstungsforderungen der Vereinten Nationen (UNO) widersetzt.

Der Bericht der UNO-Waffeninspekteure belegt nach Einschätzung der USA, dass Irak sich den Abrüstungsforderungen der Vereinten Nationen (UNO) widersetzt.

"Leere Gesten"

US-Außenminister Colin Powell sagte am Montag in Washington, die Zeit, die Irak für eine friedliche Abrüstung verbleibe, gehe schnell zu Ende. Auf die Abrüstungsforderungen der UNO habe Irak mit "leeren Erklärungen und leeren Gesten" geantwortet, sagte Powell. Die USA hofften, dass der Konflikt friedlich gelöst werden könne. Allerdings hänge dies von Irak ab.

Powell sagte hierzu: "Die Frage ist nicht, wie viel mehr Zeit die Inspektoren benötigen, um im Dunkeln herumzustochern." Die Frage sei vielmehr, "wie viel Zeit Irak eingeräumt wird, um die Sachen ans Licht zu bringen", fuhr Powell fort. "Und die Antwort ist: nicht mehr viel Zeit."

Der US-Nachrichtensender CNN berichtete am Montagabend (Ortszeit) unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Washington, die Truppen am Persischen Golf seien zwischen Mitte bis Ende Februar einsatzbereit.

Waffenreport bestätigt Zweifel

Powell betonte am Montag, nach dem Bericht der Chefwaffeninspekteure vor dem Sicherheitsrat bestehe kein Zweifel, dass der Irak Massenvernichtungswaffen verberge. Powell versicherte, noch hofften die USA auf eine friedliche Lösung des Konfliktes, doch die Zeitspanne für Bagdad werde immer kürzer. Eine Lösung sei nur möglich, wenn der Irak tatsächlich mit Hilfe der Inspekteure abrüste. Der Report zeige, dass Bagdad diese "strategische Entscheidung" bislang nicht getroffen habe.

Angebliche Fotobeweise

Laut Pentagon steht zwischen Mitte und Ende Februar eine voll funktionsfähige Invasionstruppe bereit, um den Irak zu entwaffnen und einen Regimewechsel in Bagdad herbeizuführen. Nach CNN-Angaben liegen den US-Geheimdiensten erst wenige Tage alte Fotobeweise für militärische Aktivitäten des Irak vor. Immer mehr tragbare Abschussvorrichtungen für Bodenluftraketen und Flugabwehrartillerie seien in und um Bagdad herum in Position gebracht worden.

Die US-Regierung wolle möglicherweise bereits in der kommenden Woche mit bisher geheimem Material die irakischen Täuschungsmanöver offen legen. Hohe irakische Beamte hätten mitgeholfen, Waffen und Beweise für Waffenprogramme vor den Inspekteuren versteckt, sagten Regierungsbeamte dem Sender CNN.

Schwerwiegende Versäumnisse

Blix und el Baradei warfen Bagdad schwerwiegende Versäumnisse bei der Aufdeckung ihrer illegalen Rüstungsprogramme vor. El Baradei, Direktor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), forderte am Montag in seinem Bericht an den Weltsicherheitsrat erheblich mehr Zeit für die Waffeninspektionen. Blix, Leiter der Waffenkontrollkommission UNMOVIC, stellte die Verlängerung der Mission dem Weltsicherheitsrat anheim. In der Nacht zum Dienstag vertagte das höchste UN-Entscheidungsgremium seine Irak-Beratungen auf Mittwoch.

Blix und el Baradei hatten bei Konsultationen des Rates hinter verschlossenen Türen eine Reihe von Einzelfragen zu den realen Aussichten für effektive Waffenkontrollen beantwortet. Sie hätten dabei, wie bereits in ihren öffentlichen Berichten am Montag, deutlich gemacht, dass die Regierung in Bagdad von sich aus Beweise über die behauptete Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen vorlegen müsse, sagten UN-Diplomaten.

Lückenhafte Informationen

Blix warf Bagdad mangelhafte Kooperation und lückenhafte Informationen vor. So forderte er den Irak auf, den Verbleib größerer Mengen des Nervengases VX aufzuklären. Die Inspekteure hätten Erkenntnisse, dass der Irak im Gegensatz zu seinen bisherigen Angaben an der qualitativen Weiterentwicklung von VX gearbeitet habe. Blix machte deutlich, dass noch größere Mengen dieses gefährlichsten aller chemischen Kampfstoffe vorhanden sein könnten.

Unbefriedigende Befragungen

Auch zu einer Reihe weiterer offener Fragen nach versteckten Massenvernichtungswaffen, darunter größere Mengen von Milzbrandsporen, sei der Irak überzeugende Antworten schuldig geblieben. Die Befragung irakischer Wissenschaftler sei ebenfalls unbefriedigend. Blix bescheinigte dem Irak zugleich, dass er die im November wieder aufgenommenen Inspektionen ohne nennenswerte Probleme zugelassen habe.

Rede zur Lage der Nation

Erst nach der Ansprache des US-Präsidenten George W. Bush zur Lage der Nation werde vermutlich mehr Klarheit darüber bestehen, wie viel Zeit die USA den UN-Waffeninspekteuren bis zur Entscheidung über einen Angriff gegen den Irak tatsächlich geben wollen, erklärten UN- Diplomaten in der Nacht zum Dienstag. Zudem sei keinesfalls vor Mittwoch mit neuen Weisungen der Regierungen der 15 Ratsmitglieder an ihre Botschafter im Sicherheitsrat zu rechnen. Bushs Ansprache ist in der Nacht zum Mittwoch (MEZ) vorgesehen. Bush werde die Amerikaner möglicherweise auf einen Angriff auf den Irak ohne ausdrückliche Zustimmung der Vereinten Nationen vorbereiten, hieß es in UN-Kreisen. Zugleich gebe es Signale, dass die Regierungen in Washington und London dem Sicherheitsrat den Entwurf einer Resolution vorlegen wollen, die dem Irak eine ultimative letzte Frist zur Offenbarung seiner illegalen Waffenarsenale einräumen soll.

Mahnende Worte

Der Führer der oppositionellen Demokraten im US-Senat, Tom Daschle, forderte Bush auf, Beweise für die Existenz nuklearer und biologischer Waffen im Irak vorzulegen. Daschle verlangte außerdem, der Präsident solle seinen "überstürzten" Irak-Kurs begründen, um den "guten Willen" der Verbündeten nicht zu verspielen.

Großbritannien befürwortete einen weiteren Bericht der Inspekteure. Frankreich und Deutschland sprachen sich gemeinsam für eine Verlängerung der Waffeninspektionen im Irak aus. Die Inspekteure sollten "die für ihre Arbeit notwendige Zeit" haben, hieß es aus dem französischen Präsidialamt nach einem Telefongespräch zwischen Präsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag. Dabei sollte das Regime in Bagdad allerdings aktiv mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten. Paris und Berlin hätten sich nach Vorlage des Berichts von UN-Chefinspekteurs Hans Blix abgesprochen und wollten weiterhin "in engem Kontakt" über die Entwicklung der Irak-Krise bleiben, hieß es weiter.

Auch der russische Vizeaußenminister Juri Fedotow forderte mehr Zeit für die Waffeninspektionen. Mehr Zeit verlangt auch China. Der Irak erklärte, alle illegalen Waffen seien vernichtet worden.

Irak kündigt Rache an

Irak könnte nach den Worten seines stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarek Asis Kuwait angreifen, falls von dort aus US-Truppen gegen sein Land marschieren sollten. Asis sagte dem kanadischen Fernsehsender CBC, Irak werde Vergeltung gegenüber US-Truppen üben, "von wo auch immer sie ihr Aggression starten".