Der erste Prozess gegen den irakischen Ex-Machthaber Saddam Hussein geht dem Ende zu. Saddam könnte am Sonntag, drei Jahre nach seiner Festnahme durch US-Soldaten, zum Tode verurteilt werden, falls ihn das Gericht wegen eines Massakers an 148 Schiiten im Jahre 1982 des Verbrechens gegen die Menschlichkeit für schuldig befindet. Das Urteil wäre der Höhepunkt des historischen Prozesses, der sich bereits seit einem Jahr hinzieht.
In Erwartung des Urteils sind die Sicherheitsvorkehrungen in Bagdad für Sonntag deutlich verschärft worden. Irakische und amerikanische Soldaten errichteten zusätzliche Kontrollposten und verstärkten ihre Patrouillen. Für Sonntag wurde ein unbefristetes Ausgehverbot in Bagdad und mehreren Provinzen angeordnet. Die Regierung hat zudem eine Urlaubssperre für die Streitkräfte erlassen. Al-Maliki rief die Iraker in einer Fernsehansprache auf, auf das Urteil in einer Weise zu reagieren, dass Menschenleben nicht in Gefahr gerieten.
Das Verfahren sorgte immer wieder für Aufregung: Der frühere Präsident beschimpfte das Tribunal wiederholt lautstark und sprach ihm die Legitimation ab. Zudem trat Saddam aus Protest in den Hungerstreik, drei seiner Verteidiger wurden ermordet, ein Vorsitzender Richter trat zurück.
Verteidiger fordern Verschiebung des Urteils
Die Verteidiger Saddam Husseins forderten unterdessen das Gericht auf, die Urteilsverkündung zu verschieben. In einem Brief an den Vorsitzenden Richter schrieben die zehn Anwälte, das Gericht habe noch nicht die abschließende Erklärung der Verteidigung erhalten. Sie baten darum, das Urteil um höchstens 60 Tage zu verschieben. Der Verteidiger Buschara al Chalil warnte, ein Todesurteil würde "die Tore der Hölle" für die 140.000 US-Soldaten im Irak öffnen. Er warf US-Präsident George W. Bush vor, das Urteil nur zwei Tage vor den Kongresswahlen in USA für seine Zwecke ausnutzen zu wollen.
Vollstreckung des Urteils erst nach Berufung
Doch selbst wenn das Sondertribunal am Sonntag Saddams Tod durch Erhängen anordnen sollte, könnte eine Vollstreckung noch unbestimmte Zeit auf sich warten lassen. Grund: Es müssten erst alle Berufungsanträge abgelehnt werden. Zudem liegen noch Dutzende weitere Fälle vor, wegen derer der 69-Jährige ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden soll. Bereits jetzt muss sich Saddam in einem zweiten Verfahren verantworten.
Dabei könne eine Hinrichtung Saddams gar nicht früh genug erfolgen, wie unlängst der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki sagte. Auch viele Beobachter sind der Ansicht, dass die prekäre Sicherheitslage im Irak zumindest etwas entspannt werden könnte, wenn Saddam hingerichtet und somit nicht mehr wegen der Verfahren die Schlagzeilen mitbestimmen würde. Ihre Hoffnung, dass der Prozess die teils heftig zerstrittenen Bevölkerungsgruppen im Irak einigen könnte, weil sie letztendlich mehrheitlich unter der drei Jahrzehnte währenden Herrschaft Saddams gelitten haben, erwies sich bereits als Irrglaube. Mittlerweile ist vielen Irakern das Schicksal Saddams gleichgültig. Sie haben mehr mit dem Alltag zu kämpfen in einem Land, das am Rande eines Bürgerkriegs steht.
Noch immer Anhänger Saddams
Der Ex-Staatschef selbst genießt immer noch große Unterstützung, gerade unter den Sunniten. So forderten jüngst in Saddams Geburtsort zahlreiche Bewohner die sofortige Freilassung des Gefangenen: "Wenn sie Frieden im Irak wollen, dann verlangen wir die Einstellung dieser Farce von einem Prozess, der von Bush und seinen Verbündeten geleitet wird."
Saddam war seit einem Putsch in der sozialistischen Baath-Partei im Jahr 1968 der starke Mann im Irak und übernahm 1979 die Präsidentschaft. Er herrschte mit absoluter Autorität und häufig brutaler Gewalt. Während des achtjährigen Kriegs gegen das Nachbarland Iran in den achtziger Jahren betrachteten ihn die USA als ihren Verbündeten. Seit dem irakischen Einmarsch in Kuwait 1990 wandelte sich ihr Verhältnis und sie wurden Feinde. US-geführte Truppen befreiten Kuwait, und der Irak wurde unter internationale Sanktionen gestellt. Nach dem Einmarsch britischer und US-Truppen im März 2003 hielt sich Saddam versteckt. Er wurde am 13. Dezember 2003 in der Nähe seiner Heimatstadt Tikrit im Norden des Landes gefasst.