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Islamisten in Pakistan Die Mär von den Taliban als Flutgewinner

Die pakistanischen Islamisten spielen sich als Retter der Flutopfer auf. Doch ihren Einfluss auf die Politik werden sie nicht steigern können - denn dafür sind sie nicht stark genug.
Von Niels Kruse

Eine Million Häuser hat die Flut hinfort gespült. Zwischen 15 und 20 Millionen Menschen sind obdachlos geworden. Hunderte von Millionen Dollar braucht Pakistan allein für die erste Hilfe. Denn den Menschen in dem Land fehlt es an allem: an Zelten, an Decken, an Medizin, Trinkwasser und Lebensmitteln. Keine Frage: Die Wassermassen haben eine Katastrophe von beispiellosem Ausmaß ausgelöst, und die Menschen greifen nach jeder helfenden Hand - auch, wenn sie einem Taliban gehört. Oder irgendeinem anderen Islamisten.

"Für uns sind sie Engel", sagt etwa der ehemalige Polizist Gul Mohammed Khan, dem die radikalen Muslime zu Hilfe geeilt sind. "Uns ist egal, wer sie sind und was sie wollen - wir waren in Not, und sie waren die ersten, die uns geholfen haben." Vor allem zu Beginn der Überschwemmung, als der Indus in immer bedrohlicherem Maße über die Ufer stieg, waren die Islamisten schnell zur Stelle, um ihren Landsleuten zur Seite zu stehen. Öffentlichkeitswirksam und großspurig kündigten sie gleichzeitig zudem an, 20 Millionen Dollar für die Flutopfer zu spenden.

Die Islamisten können jeden Sympathisanten brauchen

Offenbar haben die Radikalen schnell begriffen, wie sie sich die Katastrophe zu Nutze machen. Denn die Islamisten können jeden Sympathisanten brauchen. Bei Wahlen kommen sie nie über drei bis vier Prozent hinaus. "Ihre politische Stärke ist in etwa mit der rechtsextremer Parteien in Deutschland zu vergleichen", sagt Sigrid Krieg von <linextern adr="http://www.amnesty.de"> Amnesty International stern.de. Umso bitterer für die Millionen Opfer, dass diese Minderheit das Bild Pakistans in der Welt bestimmt - und so Spenden im großen Maß verhindert.

Spendenexperten schätzen, dass in Deutschland bislang rund zwei Millionen Euro zusammengekommen sind. Im Gegensatz dazu stehen die dreistelligen Milllionenbeträge, die laut des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen im vergleichbaren Zeitraum nach dem Beben in Haiti und dem Tsunami 2004 zusammengekommen seien. Pakistan werde von vielen Menschen mit Terror, Taliban und Islamisten verbunden, sagt Institutschef Burkhard Wilke. "Dabei wird die Religion in Pakistan eher moderat gelebt", wie Christian Wagner von der Stiftung für Wissenschaft und Politik stern.de sagt.

Taliban weit weg von Katastrophengebieten

Der Pakistan-Experte glaubt nicht, dass die Überschwemmung den Extremisten in die Hände spielen werde. Die Taliban, als Teil der Islamistenbewegung, sind weit weg von den Flutgebieten, Regierung und Opposition arbeiten nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammen und die Bevölkerung lehnt die Radikalen mehrheitlich ab, so Wagner. Ähnlich Sigrid Krieg von Amnesty: "Die Propaganda der Islamisten ist unglaubwürdig, sie könnten schließlich auch nur das verteilen, was ihnen selbst zur Verfügung steht." Wie 20 Millionen andere Pakistaner seien auch sie Opfer der Fluten.

Pakistans Außenminister Makhdoom Shah Mahmood Kureschi allerdings nutzt die Angst vor den radikalen Kräften, um eindringlich um mehr und schnellere Unterstützung zu bitten. Komme nicht mehr internationale Hilfe, sei die Stabilität des Landes bedroht, Extremisten könnten von der Lage profitieren, sagte er in einem Interview mit der BBC.

"Mit 20 Millionen Opfern ist jeder überfordert"

Das eigentliche Problem dürften aber weniger die Islamisten als die Regierung sein. So sorgte die Entscheidung von Präsident Asif Ali Zardari, seine Europareise trotz der Überschwemmung nicht abzubrechen, für Empörung in Pakistan. Sigrid Krieg glaubt, dass die schwache Regierung die eigentliche Gefahr für das Land sein könnte. "Die Machthaber interessieren sich nicht wirklich für das Volk." Und nun auch noch diese Katastrophe. "Mit 20 Millionen Opfern", so Krieg, "ist jeder überfordert."

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