Trotz massiven Widerstands hat Israels Parlament ein Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedet. 64 von 120 Abgeordneten stimmten nach tagelanger Debatte am Montag für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets. Kritiker stufen es als Gefahr für Israels Demokratie ein.
Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Netanjahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.
Vorhaben der Netanjahu-Regierung spaltet Israel
Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Straßen. Verhandlungen, auch in letzter Minute, über einen Kompromiss blieben erfolglos.
Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu. Mehr als Zehntausend Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte ein Teil der umstrittenen Pläne verabschiedet werden. Auch aus der Wirtschaft und weiteren Teilen der Gesellschaft gab es solche Drohungen.
Ja-Sager, Fanatiker, Hetzer – diese rechten Köpfe stecken hinter Israels Justizreform

Benjamin Netanjahu ist ein echtes Stehaufmännchen. Ein halbes Dutzend Mal hat er es in seinen inzwischen 73 Jahren auf den Gipfel der Macht gebracht. Über Jahrzehnte galt "Bibi" als begnadeter Taktiker, als Puppenspieler auf der politischen Bühne.
In seiner vorherigen Amtszeit hatte Netanjahu international vor allem als "best Buddy" von US-Präsident Donald Trump von sich reden gemacht. Die Freundschaft der beiden umstrittenen Konservativen führte unter anderem dazu, dass die USA Jerusalem erstmals offiziell als Hauptstadt Israels anerkannten – ein Coup für Netanjahu.
Seit 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruption gegen ihn. Im November 2019 wurde er in drei Fällen wegen Bestechung, Betrugs und Veruntreuung angeklagt. Kurz zuvor hatte er sein Amt eingebüßt, nachdem er bei der Regierungsbildung gescheitert war.
Für seine sechste Amtszeit musste sich der Vorsitzende der konservativen Likud-Partei allerdings verbiegen wie nie zuvor. In seinen insgesamt 15 Jahren als Regierungschef hat "Bibi" immer wieder bewiesen, dass ihm Macht wichtiger ist als Überzeugung – was er zuletzt im Dezember eindrucksvoll zur Schau stellte: Um sich erneut das Amt des Ministerpräsidenten zu sichern, war Netanjahu ein gefährliches Bündnis mit dem rechten Rand eingegangen. Man könnte fast sagen: Um die Hühner aus dem Stall zu bekommen, hat er die Wölfe hereingelassen. Ob seine Partnerschaft mit Rechtsaußen eine Reihe Zweckehe ist, ist mittlerweile fraglich.
Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. Sie könnten Netanjahu laut Experten jedoch auch in einem schon länger gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.
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