An der Laterankirche San Giovanni bietet sich ein bizarres Bild. Ein olivgrüner Militärjeep mit vier Männern aus dem Regiment der Fallschirmjäger "Folgore" hält Wache an einem Palazzo, an dem nichts darauf hin deutet, dass hier die palästinensische Botschaft untergebracht ist. Keine drei Schritte neben den strammstehenden Soldaten sitzen Andrea und Viola aus Mannheim an eine schattige Hauswand gelehnt auf dem Boden. Die Abiturientinnen relaxen und rauchen. Strammstehen gegen Abhängen. Die Schülerinnen wundern sich. "Was ist hier eigentlich los?", fragt Viola. "Bei uns wäre es undenkbar, dass die Bundeswehr die Aufgaben der Polizei übernimmt," sagt Andrea.
400 Soldaten schützen Rom
Es ist der erste Tag, an dem italienische Soldaten zur Bekämpfung der Straßenkriminalität in verschiedenen Städten postiert worden sind. Allein in Rom sind es zunächst 400 Sicherheitskräfte, die an U-Bahnstationen, Bahnhöfen und einem Einwanderungszentrum Dienst schieben. Doch auch in Mailand, Neapel, Bologna und Palermo waren Soldaten im Einsatz.
Die Soldaten auf den Straßen in Rom sollen für Touristen nicht sichtbar sein. Bürgermeister Gianni Alemanno von der rechtskonservativen Nationalallianz hatte seit Tagen vor einem Imageverlust gewarnt, wenn das Militär vorm Kolosseum patrouilliert. Präfekt Carlo Mosca erklärte daher in letzter Minute die Innenstadt zur "no go area" für die 400 Soldaten, die in der Hauptstadt zur Verbrechensbekämpfung im zivilen Einsatz sind. Doch die Präsenz im Stadtbild von Männern in Tarnanzügen mit Maschinengewehr geht an Besuchern der Ewigen Stadt dennoch nicht spurlos vorbei.
Mehrheit steht hinter dem Sicherheitspaket
Doch für die überragende Mehrheit der Italiener ist der Straßeneinsatz des Militärs willkommen. Ein Römer mit silbergrauem Haar und großer Gestik ruft den Soldaten im Vorübergehen zu: "Weiter so, wir müssen endlich durchgreifen." Marisa, die Rentnerin sagt, sie habe Angst, mit ihrer Handtasche auf die Straße zu gehen und fürchte sich sogar allein in ihrer Wohnung. Der Staat solle mehr für die Sicherheit tun. Dem Fahrer am Busbahnhof San Giovanni gehen die Maßnahmen nicht weit genug: das Militär müsse auch in den U-Bahnen kontrollieren, sagt er. Sein Kollege widerspricht: "Dann haben wir bald einen Polizeistaat." Doch eine Umfrage von Sky TV bestätigt die Marschrichtung der Regierung Berlusconi. 82 Prozent der befragten Italiener stehen hinter dem Sicherheitspaket.
Im ganzen Land sind nun 3000 Soldaten im Einsatz. Sie patrouillieren vor den Auffanglagern für illegale Zuwanderer, bewachen Botschaftssitze, Kirchen und Bahnhöfe oder unterstützen die Polizeikräfte bei der Streife. Es geht der Regierung um Sichtbarkeit. Der Militäreinsatz ist zunächst auf sechs Monate angesetzt und kostet den Staat mehr als 30 Millionen Euro, kann aber auf ein Jahr verlängert werden und dann das Doppelte verschlingen. Polizeigewerkschaften und Opposition geißeln die Maßnahme folglich als "Sicherheitsdemagogie" und "Geldverschwendung". Doch mit dem Thema Sicherheit hat Berlusconi im April den Wahlkampf gewonnen. Seither macht der Populist mit ausländerfeindlicher Politik von sich reden.
Nationaler Notstand wegen Flüchtlingsströmen
Im Juli hatte der Premier den nationalen Notstand verhängt, um die Situation wegen der stark angestiegenen Flüchtlingsströme in den Griff zu bekommen und baute massiv die Polizeipräsenz im Land aus. Seine ausländerfeindliche Politik brachte dem Medienunternehmer und Multimilliardär mehrmals Rügen von europäischen Institutionen ein, zuletzt wegen "diskriminierender" und "menschenrechtswidriger" Behandlung der Roma und Sinti, als Innenminister Roberto Maroni ankündigte, allen Sinti-Kindern Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Italien hatte schon einmal Erfahrung mit dem Einsatz der Armee für Sicherheitsaufgaben im Innern gemacht. Nach den Mordanschlägen auf die sizilianischen Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 ließ die italienische Regierung Soldaten in den Großstädten patrouillieren. Auch damals ging es darum eines zu demonstrieren: Es gibt ihn, den Staat.