Das Phantom ist seinen Häschern wieder knapp entkommen. Nach einem Tipp stürmten US-Elitesoldaten am Samstag in Mossul nach einem erbitterten Feuergefecht ein Haus, in dem sich angeblich der Staatsfeind Nummer eins im Irak, der Top-Terrorist Abu Mussab al Sarkawi, mit Vertrauten treffen wollte. Doch wie so oft war der Anführer von al Kaida im Irak seinen Jägern wieder einen Schritt voraus - vor allem, weil sich das Geheimdienstnetz des gebürtigen Jordaniers dem der Koalitionstruppen immer wieder als überlegen erweist.
An mangelndem Einsatz habe der fehlende Erfolg nicht gelegen, zitiert die "Los Angeles Times" einen Mitarbeiter der Anti- Terrorismus-Abteilung im US-Justizministerium. "Es gibt ein riesiges Netzwerk von geheimen Informanten, die jeden unserer Schritte verfolgen", sagt der Beamte. Jedes Mal, wenn die US-Truppen einen Iraker als Informanten gewonnen hätten, sei diese Person umgehend tot.
Die Aufgabe sei noch schwieriger, weil viele ehemalige Geheimdienstmitarbeiter des Saddam-Regimes Sarkawi unterstützten. Sarkawi wird für zahlreiche Bombenanschläge mit Hunderten Todesopfern im Irak verantwortlich gemacht. Auch die Terroranschläge am 9. November auf die Gäste von drei jordanische Luxushotels in Amman, darunter eine Hochzeitsgesellschaft, sollen auf sein Konto gehen. Dabei starben 60 Menschen.
Acht Monate lang hefteten sich US-Elitesoldaten Ex-Präsident Saddam Hussein an die Fersen, bevor sie ihn im Dezember 2003 schließlich dank eines Verräters aus dessen Familien-Clan fassen konnten. Auf Sarkawi haben die USA ebenso wie seinerzeit auf Saddam ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar, umgerechnet 21,2 Millionen Euro ausgesetzt.
Anders als das Bollwerk um Saddam lässt sich das Netzwerk von Sarkawi weit schwieriger knacken. Die Namen der engsten Helfer Saddams waren bekannt. Sarkawis Armee besteht dagegen aus unbekannten Gesichtern; ein Mix ideologisch gleich gesinnter Hardliner aus dem Ausland und irakischen Zivilisten. Anthony Cordesman vom "Center for Strategic and International Studies" in Washington schätzt, dass vier bis zehn Prozent der 30.000 Aufständischen im Irak aus dem Ausland stammen.
Weil Sarkawi scheinbar unsichtbar durch alle feindlichen Linien wandelt, treibt die Legendenbildung die schillerndsten Blüten. So soll der Terrorist in gestohlener irakischer Generalsuniform und mit einem Konvoi von sechs entwendeten Armeefahrzeugen von seinem bisherigen Wüstenversteck in der Provinz Anbar in den Großstadtdschungel der Hauptstadt Bagdad übergesiedelt sein. Statt Sarkawi festzunehmen, hätten Soldaten an Kontrollposten vor dem vermeintlichen General die Hacken zusammengeschlagen und salutiert.
Zwei geheime Eliteeinheiten und Dutzende von CIA- und FBI- Mitarbeitern sind nach Angaben der "Los Angeles Times" Sarkawi auf der Spur. Experten des US-Finanzministeriums überwachen die Geldströme in den Irak, um Sarkawi und dessen Helfer in die Enge zu treiben.
Am nächsten dran waren die US-Häscher im Februar, als Sarkawi in letzter Minute vor einem Kontrollposten aus seinem Auto springen und sich in die Büsche schlagen konnte. Die US-Truppen stellten in dem Fahrzeug mehrere Dinge sicher, die dem Phantom endlich Konturen und Umrisse gaben. Unter der Rubrik "Eigene Bilder" soll Sarkawi nach US-Armeeangaben Fotos von sich abgespeichert haben.
Klar wurde auch, wie das Gehirn der Terrorgruppen seine Botschaften an die Zellen seiner Organisation weitergibt - nämlich mit so genannten Mini-Speichern, die in jede Hosentasche passen und schnell an jedem x-beliebigen Computer angeschlossen werden können.
"Wir glauben wirklich, dass Sarkawis Tage gezählt sind", sagt US-General Rick Lynch zuversichtlich. "Eine ganze Menge Druck lastet auf ihm und seinem Netzwerk, das ist ganz klar", fügt Pentagon- Sprecher Lawrence Di Rita hinzu. "Er muss eine Menge Zeit damit verbringen, am Leben zu bleiben." Mehrmals seien US-Truppen schon ganz nah dran gewesen. "Aber nah ranzukommen, ist nicht gut genug. Wir wissen das", sagt Di Rita.