Vier Jahre nach der Inhaftierung von Julian Assange in Großbritannien wächst der Druck auf die USA, die Versuche zur Auslieferung des Wikileaks-Gründers aufzugeben. "Wir rufen die US-Regierung erneut auf, den Fall abzuschließen und ohne weitere Verzögerung die Freilassung zu erlauben", sagte Rebecca Vincent, die Londoner Vertreterin der Pressefreiheitsorganisation Reporter ohne Grenzen, der Deutschen Presse-Agentur. Assange sei seit vier langen Jahren in Haft, obwohl er nicht verurteilt sei, kritisierte sie. "Wir sind besorgt um seine Sicherheit und um sein Wohlergehen im Gefängnis, wo seine körperliche und mentale Gesundheit sehr hohem Risiko ausgesetzt bleiben."
Australische Politiker fordern Assanges Freilassung
In Assanges Heimatland Australien warnten 48 Abgeordnete und Senatoren – darunter 13 von der regierenden Labor-Partei – die Regierung in Washington, dass die Verfolgung des 51-Jährigen "einen gefährlichen Präzedenzfall" für die Pressefreiheit schaffen und dem Ruf der USA schaden würde. In einem parteiübergreifenden offenen Brief, der am Dienstag veröffentlicht wurde, forderten die Politiker US-Justizminister Merrick Garland auf, "das Auslieferungsverfahren einzustellen und Herrn Assange die Rückkehr in seine Heimat zu ermöglichen", wie britische und australische Medien berichten.
"Wenn dem Auslieferungsantrag stattgegeben wird, werden die Australier Zeuge der Abschiebung eines unserer Bürger durch [...] unseren engsten strategischen Verbündeten – und Herrn Assange droht die Aussicht, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen", heißt es in dem Brief. "Dies wäre ein gefährlicher Präzedenzfall für alle Bürger der Welt, Journalisten, Verleger, Medienorganisationen und die Pressefreiheit. Es würde auch den USA als weltweitem Vorreiter in Sachen Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit unnötig schaden." Nach Ansicht der Unterzeichner bezieht sich Assanges Anklage auf dessen Handlungen "als Journalist und Verleger" bei der Veröffentlichung von Informationen "mit Beweisen für Kriegsverbrechen, Korruption und Menschenrechtsverletzungen".
Ähnliche Schreiben wurden nach Angaben der Nachrichtenagentur Australian Associated Press (AAP) auch von britischen Abgeordneten der Konservativen und der Labour-Partei sowie von Abgeordneten in Mexiko und Brasilien verschickt.
Die USA werfen Assange vor, geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Unterstützer sehen in ihm einen mutigen Journalisten, der schwere Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch US-Soldaten ans Licht brachte.
Assange war 2012 vor einer drohenden Verhaftung in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet und hatte dort sieben Jahre verbracht, bis Ecuador ihm das politische Asyl entzog und die britischen Behörden ihn 2019 festnahmen. Seither sitz der Australier im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Das juristische Tauziehen um seine Auslieferung in die USA dauert seit Jahren an. London hat für die Überstellung prinzipiell grünes Licht gegeben, Assange und seine Unterstützer versuchen jedoch, diese zu verhindern. Gerichte des Vereinigten Königreichs prüfen derzeit Einsprüche gegen eine mögliche Auslieferung.
Whistleblowerin Manning seit 2017 auf freiem Fuß
In dem Schreiben an US-Justizminister Garland vergleichen die australischen Politiker die Verfolgung von Assange mit dem Umgang mit der ehemaligen Geheimdienstanalystin der US-Armee, Chelsea Manning. Die Whistleblowerin hatte die Geheimunterlagen an Wikileaks weitergegeben und war deshalb zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nachdem der damalige US-Präsident Barack Obama ihre Strafe umgewandelt hatte, wurde Manning 2017 freigelassen.
Assange sei "seit weit über einem Jahrzehnt in der einen oder anderen Form inhaftiert", während die Strafe für die Person, die geheime Informationen weitergegeben hat, umgewandelt wurde, monieren die Unterzeichner. "Eine deutliche Mehrheit der Australier ist der Meinung, dass diese Angelegenheit schon viel zu lange andauert und beendet werden muss. Wir bitten Sie inständig, das Auslieferungsverfahren einzustellen und Herrn Assange die Rückkehr in seine Heimat zu ermöglichen".
Australiens Premierminister Anthony Albanese wird US-Präsident Joe Biden im Mai in Australien empfangen und den britischen Premierminister Rishi Sunak ebenfalls im Mai bei der Krönung von König Charles III. in London treffen. Albanese könne keine bessere Gelegenheit finden, um den Fall Assange bei seinen Amtskollegen zur Sprache zu bringen, sagte der Anwalt Greg Barnes, Sprecher der Australian Assange Campaign, AAP. "Es muss eine hohe Priorität auf der Tagesordnung dieser Diskussionen haben." Der Premierminister könne angeben, "dass dies eine Angelegenheit ist, bei der es eine breite parlamentarische Unterstützung und Besorgnis gibt, und die auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird."
Quellen: Australian Associated Press/"The West Australian", "The Guardian", DPA