6. Januar 2021 QAnon-Schamane, Kabelbinder-Typ, Grapevine-Man: Das ist aus den Kapitol-Erstürmern geworden

Aufarbeitung des 6. Januar 2021 : "Ich rutschte auf dem Blut meiner Freunde aus": Diese Polizistin schildert den Sturm auf das US-Kapitol
Sehen Sie in diesem Beitrag den O-Ton der Polizistin Caroline Edwards über den 6. Januar 2021




(Das Video wird ohne Sprechertext gesendet): "Als ich von der vordersten Linie ein bisschen zurückfiel stockte mir regelrecht der Atem. Denn die Szene glich einem Kriegsgebiet. Es sah aus wie im Film. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Es lagen Polizisten am Boden. Sie bluteten, sie übergaben sich. Ich sah Freunde mit blutverschmierten Gesichtern. Ich rutschte auf ihrem Blut aus. Ich habe Leute aufgefangen, wenn sie stürzten. Es war einfach ein Gemetzel. Es war ein Chaos. Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich gedacht, dass ich als Polizeibeamte, als Ordnungshüterin, einmal mitten in einer Schlacht stehen würde.
Ich habe gelernt, Personen festzunehmen oder mit einer Menschenmenge umzugehen, aber ich bin nicht kampferprobt. An diesem Tag war es ein stundenlanger Nahkampf, ein stundenlanger Umgang mit Dingen, die weit über das hinausgingen, wofür ein Polizeibeamter jemals trainiert hat. Die Leute mit den orangefarbenen Mützen kam und skandierte FUCK Antifa, sie schlossen sich mit anderen Gruppen zusammen. Und dann richtete Joseph Biggs (Joe Biggs, Mitanführer der rechtsextremen Proud Boys, d.Red.) seine Worte an die Capitol Police. Er fing an, uns Fragen zu stellen wie: Ihr musstet während der Pandemie keinen Gehaltsscheck auslassen. Er fing an, den Spieß umzudrehen. Ich habe geschätzt Hunderte von Tumulten erlebt. Ich weiß, wann ich zum Bösewicht gemacht werde. Und in diesem Moment drehte ich mich zu meinem Sergeant um und sagte die Untertreibung des Jahrhunderts: 'Sergeant, ich glaube, wir brauchen hier unten ein paar Leute mehr.' 
Am 6. Januar und in den Tagen danach wurde ich mit vielem beschimpft. Man nannte mich den Hund von Nancy Pelosi, man nannte mich inkompetent, man nannte mich eine Heldin und eine Schurkin. Man nannte mich eine Verräterin an meinem Land. In Wirklichkeit war ich nichts von alledem. Ich war eine Amerikanerin, die anderen Amerikanern von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, die sich immer wieder fragten, wie sie in diese Situation geraten sind."
In Washington hat die Aufarbeitung des Kapitol-Sturms begonnen. Im Mittelpunkt steht Ex-Präsident Donald Trump. 810 mutmaßliche Erstürmer wurden festgenommen, 60 bereits verurteilt, andere warten noch auf ihre Verhandlung.

Grapevine-Man, Kabelbinder-Typ, Schamane mit Büffelhörnern, Rednerpult-Dieb: Sie gehören zu den Hauptdarstellern des surrealen wie beklemmenden Schauspiels vom 6. Januar, als Hunderte von Trump-Fans das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Einige der Beteiligten waren bereits bekannt, wie etwa Jake Angeli, der "Schamane". Oder ein frischgewählter Abgeordneter aus dem Bundesstaat West Virginia.

Der Sturm des Kapitols gilt manchen mittlerweile als versuchter Staatsstreich, im Mittelpunkt steht dabei Ex-Präsident Donald Trump, dem vorgeworfen wird, den Aufstand angestachelt zu haben.

Der "QAnon-Schamane" bereut den Kapitol-Sturm

810 Amerikaner wurden im Zusammenhang mit der Erstürmung verhaftet, 350 weitere mutmaßlich Beteiligte sind noch nicht infiziert, 60 sind zu Haftstrafen verurteilt worden – so ist der Stand bei einigen der ikonischen Kapitol-Erstürmern.

Der sogenannte QAnon Schamane Jacob Anthony Chansley im Kapitol
Der sogenannte "QAnon-Schamane" Jacob Anthony Chansley
© Manuel Balce Ceneta/AP / DPA

Der "Schamane mit Büffelhörnern" wird wohl noch für sehr lange Zeit das Gesicht des Sturms auf das Kapitol sein. Jacob Anthony Chansley heißt der Mann, er ist 34 Jahre alt und stammt aus Arizona. Er nennt sich Jake Angeli und war schon häufiger als Anhänger der rechtsextremen Verschwörungstheorie QAnon aufgefallen (Lesen Sie hier mehr über die QAnon-Bewegung). Laut Polizei hatte er selbst beim FBI angerufen, um seine Anwesenheit am US-Kapitol zu bestätigen. 

Im November 2021 wurde er zu 41 Monaten Haft verurteilt. Während der Gerichtsverhandlung bereute Chansley, sich am Kapitolsturm beteiligt zu haben. Aktuell sitzt er in einem Gefängnis in Arizona ein.

Derrick Evans
Derrick Evans, hier bei seiner Vereidigung als Abgeordneter in West Virginia.
© Perry Bennett / Picture Alliance

Mit Derrick Evans war auch ein gewählter Parlamentarier unter den Aufständischen. Der 37-Jährige sitzt für die Republikaner im Abgeordnetenhaus des Bundesstaats West Virginia. Oder besser: wurde gerade erst hineingewählt. Evans hatte live auf seiner Facebook-Seite übertragen, wie er ins Washingtoner Kapitol eingedrungen war. Nach seiner Festnahme erklärte er seinen Rücktritt als Abgeordneter. Er hoffe, so den "Heilungsprozess" in den USA einzuleiten, wie er in seinem Abschiedsstatement schrieb. "Damit wir alle nach vorn gehen können und als 'eine Nation, unter Gott' zusammenkommen."

Im Prozess bekannte er sich unter anderem schuldig, in einer Unruhesituation Widerstand gegen die Polizei geleistet zu haben. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft und eine Strafzahlung von bis zu 250.000 US-Dollar. 

Larry Rendell Brock
Larry Rendell Brock aus Grapevine in Texas ist ein ehemaliger Air-Force-Officer. Er war derjenige, der in martialischer Kampfausrüstung im US-Senat fotografiert wurde. Der 53-Jährige wurde offenbar von seiner Ex-Frau verpetzt.
© Win McNamee/Getty Images / AFP

Larry Rendell Brock aus Grapevine in Texas ist ein ehemaliger Air-Force-Officer. Er war derjenige, der in martialischer Kampfausrüstung im US-Senat fotografiert wurde. Der 53-Jährige wurde offenbar von seiner Ex-Frau verpetzt. Laut der US-Bundespolizei FBI soll sie ausgesagt haben: "Ich habe befürchtet, dass er dabei sein würde. Auf den Fotos konnte ich sein Abzeichen erkennen." Dem US-Magazin "The New Yorker" sagte Brock, er sei davon ausgegangen, dass er das Kapitol betreten dürfe. Den Kampfanzug will er nur getragen haben, um sich vor möglichen Angriffen von gegnerischen Demonstranten zu schützen.

Sein Fall wird ab dem 25. August 2022 verhandelt.

Adam Johnson
Adam Johnson
© Win McNamee/Getty Images / AFP

Adam Johnson gehörte zu den ersten Verdächtigen, die festgenommen wurden. Er war derjenige, der das Rednerpult der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, entwendet haben soll. Auf Bildern ist zu sehen, wie er mit einer Trump-Wintermütze auf dem Arm und dem Pult in der Hand zufrieden in die Kameras lächelte. Johnson, 36, ist Vater von fünf Kindern und stammt aus Florida.

Zuletzt hatte er sich in einigen Anklagepunkten schuldig bekannt, etwa ein zugangsbeschränktes Gebäude betreten zu haben. Außerdem hat er bereits zugesagt, Einnahmen aus geplanten Buchverkäufen fünf Jahre lang an die Regierung abzuführen.

Richard Barnett
Richard Barnett aus Arkansas
© Saul Loeb / AFP

Ebenfalls schnell wurde Richard Barnett aus Arkansas verhaftet. Bei ihm handelt es sich um wohl um den Mann, der sich mit einem Fuß auf dem Schreibtisch stolz in Pelosis Sessel fotografieren ließ. Der 60-Jährige ist als Schusswaffen-Befürworter bekannt. "Ich wurde da hineingeschubst", sagte Barnett, der eine Facebook-Gruppe für das Recht auf Schusswaffenbesitz verwaltet, einem Radiosender. "Ich habe die Toilette gesucht." Er habe allerdings das Recht gehabt, in Pelosis Büro zu sein, so Barnett weiter. Dieses sei schließlich aus Steuermitteln bezahlt worden. "Das ist mein Schreibtisch. Ich bin ein Steuerzahler", sagte er. Bevor er das Büro verließ, nahm er nach eigener Aussage einen Briefumschlag mit und hinterließ Pelosi eine Notiz, in der er sie als "Nutte" bezeichnete. 

Einer der Anklagepunkte lautet, ein zugangsbeschränktes Gebäude mit einer gefährlichen Waffe betreten zu haben. Barnett leugnet alle Vorwürfe, seine Verhandlung ist für Anfang September 2022 angesetzt.

Aaron Mostofsky
Aaron Mostofsky
© Manuel Balce Ceneta / Picture Alliance

Aaron Mostofsky ist der Sohn eines bekannten Anwalts und wurde als "Höhlenmensch" bekannt. Auf Bildern is zu erkennen, wie er ein Polizeischutzschild und einen Holzstock trägt. Nach eigener Aussage fühlte er sich um die US-Wahl betrogen. "Ich glaube nicht, dass 75 Millionen Menschen Donald Trump gewählt haben, ich glaube, es müssten eher 85 Millionen gewesen sein", sagte er in einem Interview. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Regierungseigentum gestohlen und Polizisten bedroht zu haben.

Mittlerweile wurde er zu acht Monaten Haft verurteilt, zusätzlich muss Mostofsky 200 Stunden Sozialarbeit leisten und 2000 Dollar Strafe zahlen.

Eric Munchel
Eric Munchel, der "Kabelbinder-Typ"
© Uncredited / Picture Alliance

Hinter dem "Kabelbinder-Typen" verbirgt sich der Barmann Eric Munchel aus Lee County in Tennessee. Auf Bildern ist zu sehen, wie er Kunststoffschnüre bei sich trägt, die auch als Ersatz für Handschellen benutzt werden. Ihm, wie auch seiner Mutter, wird vorgeworfen, sich gewaltsam Zutritt zum Kongressgebäude verschafft zu haben.

Der 31-Jährige befindet sich derzeit in Hausarrest. 

Kevin Seefried
Mit der verpönten Konföderierten-Flagge im US-Kongress: Kevin Seefried, Mitte rechts. 
© Manuel Balce Ceneta / Picture Alliance

Kevin Seefried wurde fotografiert, wie er eine Konföderierten-Flagge durch die Flure des Kongresses trug. Die Fahne ist Symbol für ein reaktionäres Gesellschaftsbild.

Er und sein Sohn sind unter anderem wegen gewaltsamen Eindringens angeklagt, ihr Prozess beginnt am 13. Juni.