Kommentar Comeback, Comeback, Comeback

  • von Katja Gloger
Mit ihrem Überraschungssieg in New Hampshire hat Hillary Clinton sich neu erfunden und den vermeintlichen Heilsbringer Barack Obama vorerst entzaubert. Ihr Erfolgsrezept? Sie ist ein Mensch geworden. Entschieden ist das Ringen um die Präsidentschaftskandidatur damit noch nicht. Die Schlacht hat erst begonnen.

Ein Wunder. Sie brauchte dieses kleine Wunder. Allen Umfragen zum Trotz. Allen Kritikern zum Trotz. Und vor allem zur Abwehr von Barack Obama, dem Verzauberer. Die Brandmauer, zu der sie New Hampshire erklärt hatte, durfte nicht fallen, durfte nicht verglühen. Hillary Clinton brauchte den Sieg. Sie hat es geschafft. Jetzt wird die wahre Schlacht beginnen. Und man kann sich auf etwas gefasst machen.

Clinton feiert ihre Menschwerdung

Dienstagebend gegen 23 Uhr zeigte sich Clinton ihren Anhängern - und der Nation. Strahlend wie lange nicht. Gelöst. Erlöst. "In den vergangenen Tagen habe ich Euch gehört. Ich habe gelernt. Und ich habe meine Stimme gefunden", sagte sie. "Ihr habt mir ein Comeback beschert." Und genau das wird in den nächsten Wochen, in den anstehenden Wahlkämpfen ihre Botschaft sein: Seht her, in New Hampshire wurde die echte Hillary Clinton geboren. Sie ist ein Mensch, keine Maschine. Sie ist eine Hillary Clinton, die zuhört, die nahbar ist, die den Menschen die Hand reicht - und deren Interessen in Washington durchsetzen will und kann. So wie er, der Andere. So wie Barack Obama.

Gewonnen hat sie zwar nur knapp, mit mageren zwei Prozentpunkten Vorsprung. Deren politische Bedeutung jedoch ist gewaltig: Denn nach der Niederlage bei der Vorwahl in der vergangenen Woche in Iowa hatten sie alle Umfragen abgeschrieben. Obama, der Sieger von Iowa, lag vorne, gefeiert als der vermeintliche Heilsbringer der Demokraten, getragen von einer Welle der Euphorie. Mit ihrem Sieg in New Hampshire ist es Clinton gelungen, die Enthusiasmus-Kluft zwischen Obama und ihr zum ersten Mal schließen. Sie darf sich jetzt "Comeback Girl" nennen - so wie ihr Mann Bill Clinton, der hier in New Hampshire einst als "Comeback Kid" seinen Weg ins Weiße Haus startete. Und das, obwohl er damals nur Zweiter wurde. New Hampshire kann für die Clintons zum Mythos werden.

Clinton hat von Obama gelernt

Sie hat aus den Fehlern von Iowa gelernt. Bis zur dortigen Wahl wirkte ihr Wahlkampf arrogant, zu überzeugt von der vermeintlichen Unausweichlichkeit ihres Erfolgs. In New Hampshire wurde sie zum Menschen. Zum ersten Mal nahm sich mehr Zeit für Gespräche mit Bürgern, antwortete auf ihren Wahlveranstaltungen ausführlich auf Fragen, wich von ihren Standardreden ab. Sie zeigte Wärme, Mitgefühl. Und sie zeigte, dass sie lernen kann - auch und gerade, ja, von Barack Obama, den sie, das ist die Ironie, in New Hampshire mit seinen eigenen Mitteln schlug. Sie holte jetzt Stimmen bei der verängstigten Mittelklasse, den Menschen in unteren Einkommensschichten, die eine Rezession fürchten. Sie konzentrierte sich jetzt auch auf Jungwähler. Vor allem aber holte sie sich die Frauen zurück.

Bei den entscheidenden 40.000 Menschen, die im letzten Moment ihre Wahlentscheidung trafen, half Clinton vielleicht auch ein anderes Symbol ihrer Menschwerdung, die Beinahe-Tränen vom Montag, das Eingeständnis ihrer Erschöpfung, der Moment, in dem sie zum ersten Mal seit Monaten echte Gefühle offenbarte - und ihre Motivation, diesen Wahlkampf zu führen. Nicht um sie gehe es, sagt sie nun, sondern um das amerikanische Volk.

"Obama? Ein Märchen!"

Aber bei aller Menschlichkeit wäre Hillary Clinton nicht Hillary Clinton, wenn ihr in New Hampshire nicht jene Strategie geholfen hätte, die sie immer noch am besten beherrscht: der Angriff. Die Zeit der "Trittbrettfahrer" sei vorbei, drohte sie und forderte einen "Realitätscheck" für jeden Kandidaten ein, für jeden Konkurrenten. Schützenhilfe gewährte ihr Gatte Bill. Noch einen Tag vor der Wahl feuerte er eine wirksame Breitseite in Richtung des Konkurrenten: "Obama?", ätzte der, "Das größte Märchen, das ich seit langem gehört habe!"

Der so Verhöhnte selbst zeigte sich gestern Abend als großzügiger Verlierer, seine Anhänger bat er um Applaus für den Sieg von Hillary Clinton. Erneut rief er auf zu Einheit, zu Versöhnung. "Ja, wir können es schaffen." Längst hat er bewiesen, dass er keineswegs nur Hauptdarsteller eines Wintermärchens. Er ist nicht nur ein Phänomen der Popkultur, keine Eintagsfliege. Barack Obama ist real.

Der Showdown kann beginnen

Und so kann der Showdown jetzt beginnen. In Nevada, wo eine der einflussreichsten Gewerkschaften Obama unterstützt. Und in South Carolina, wo es um die schwarze Wählerschaft geht und wo Obama die Nase in Umfragen vorne hat. Jeder der beiden Demokraten hat nun eine Feuerprobe bestanden. Das Duell hat schon jetzt eine seit Jahrzehnten nicht mehr erlebte Dramatik - und dennoch hat die Schlacht erst begonnen.

Auch McCain feiert Comeback

Dabei war Hillary am Dienstag in New Hampshire nicht die einzige, die ein sensationelles Comeback feiern durfte. Bei den Republikanern gelang das auch dem alten Haudegen John McCain. Noch vor wenigen Monaten wurde der ebenso starrköpfige wie prinzipienfeste 71-jährige republikanische Senator politisch totgesagt. Jetzt fuhr er einen satten Sieg bei den moderaten Wählern in New Hampshire ein.

Auch für ihn geht es jetzt darum, in South Carolina zu kämpfen - und siegen. Auch für ihn wird genau das ungemein schwierig. Denn der von Evangelikalen geprägte Süden ist das Revier des ehemaligen Baptisten-Telepredigers Mike Huckabee, den populistischen Überraschungssieger von Iowa.

Es ist Showtime

Dabei ist es bei den Republikanern, anders als bei den Demokraten, kein übersichtliches Duell, in dem die Kandidatur ausgefochten wird. Auch für einen mächtigen dritten Bewerber geht es in South Carolina um viel: Ex-Gouverneur Mitt Romney, ein Mormone, hat gerade die Vorwahlen in Wyoming gewonnen - und wird weiter versuchen, sich mit einer "To-Do-Liste" mit 15 Punkten als der republikanische Garant des Wandels zu profilieren. Sein Privatvermögen verleiht ihm den langen Atem, der für einen langen Wahlkampf nötig ist. Und dann ist da ja auch noch Rudolph Giuliani, der Ex-Bürgermeister von New York. Er hofft, das Kandidaten-Chaos der Republikaner am "Super-Dienstag" am 5. Februar mit Siegen in Florida und New York zu seinen Gunsten beenden zu können.

Es ist also Showtime in den USA. Bei Demokraten und Republikanern. High Drama. Auf nach South Carolina.