Krieg in Nahost Heftige Gefechte im Gaza-Streifen

Unterstützt von Panzern und Kampfhubschraubern sind mehrere tausend israelische Soldaten in den Gaza-Streifen vorgestoßen. Es kam zu heftigen Gefechten mit Kämpfern der palästinensischen Organisation Hamas. Trotz der Eskalation der Gewalt konnte sich der Weltsicherheitsrat bislang nicht auf eine gemeinsame Linie im Konflikt einigen.

Nach achttägigen Luftangriffen hat Israel mit der Bodenoffensive im Gaza-Streifen begonnen. Israelische Medien berichteten von heftigen Kämpfen und zahlreichen Todesopfern unter den Palästinensern, nannten jedoch keine genauen Zahlen. Ein israelischer Armeesprecher sagte am Sonntagmorgen, 30 israelische Soldaten seien bislang bei Gefechten mit radikal-islamischen Hamas-Kämpfern verletzt worden, zwei davon schwer. Israel habe auch eine Seeblockade über das Palästinensergebiet am Mittelmeer verhängt, meldete der Rundfunk. Auch die Luftangriffe wurden fortgesetzt.

Die israelischen Bodentruppen haben den Gaza-Streifen nach Medienberichten in drei Teile getrennt. Die Truppen hielten sich unter anderem im Bereich der ehemaligen jüdischen Siedlung Nezarim auf, berichteten israelische Medien am Sonntag. In dem Bereich, etwa drei Kilometer von der Stadt Gaza entfernt, liegt eine Hauptverkehrsader im Gaza-Streifen. Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert verteidigte die Bodenoffensive und bezeichnete sie als unvermeidbar. Ziel der Armee sei es, jene Gebiete zu kontrollieren, aus denen die meisten Raketen auf Israel abgefeuert worden seien, sagte Olmert vor der wöchentlichen Kabinettssitzung am Sonntag in Jerusalem.

Die Hamas hat nach eigenen Angaben bei den Kämpfen im Gaza-Streifen zwei israelische Soldaten gefangen genommen. Dies berichteten am Sonntag Radio- und Fernsehsender der radikal-islamischen Organisation. Das israelische Militär erklärte jedoch, nichts von einer Gefangennahme zu wissen. Nach Angaben eines ranghohen Militärs wird die Offensive nicht rasch beendet sein. Der Militärrepräsentant sagte in Tel Aviv, der Bodeneinsatz werde "nicht in Stunden oder Tagen enden". Bislang gehe die Militäraktion "in einer sehr herausfordernden Umgebung" wie geplant voran. Eine Wiedereroberung des Gaza-Streifens sei jedoch nicht geplant.

Im Fernsehen waren zu Beginn der abendlichen Offensive grünliche und körnige Nachtaufnahmen von vordringenden Soldaten zu sehen. Viele der Soldaten waren in voller Kampfausrüstung und mit Nachtsichtgeräten ausgestattet. Am Morgen war über dem Gaza-Streifen, einer der dichtbesiedelsten Orte der Welt, immer wieder Rauchwolken von brennenden Gebäuden zu sehen.

Die Lage in den palästinensischen Krankenhäusern im Gaza-Streifen ist nach Angaben einer palästinensischen Helferin dramatisch. Sie habe so etwas noch nie erlebt, erklärte die Gaza-Koordinatorin der Hilfsorganisation Medical Aid for Palestinians (MAP), Fikr Shalltoot, am Sonntag im Fernsehsender CNN. "Es ist Wahnsinn."

In ganz Gaza gebe es in den Krankenhäusern nur 2500 Betten. Wegen des Stromausfalls in der Stadt Gaza müsse das größte Krankenhaus mit Generatoren arbeiten. Es sei kaum vorstellbar, was mit den Patienten geschehe, wenn auch diese ausfallen würden. Sie warf Israel vor, keine Unterschiede zwischen Zivilisten und Hamas-Kämpfern zu machen. Jeder habe das Gefühl, er könne ein Ziel sein.

Trotz der Eskalation der Gewalt im Gaza-Streifen konnte sich der Weltsicherheitsrat in der Nacht nicht auf eine gemeinsame Linie im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern einigen. Nach fast vierstündigen Beratungen sagte der amtierende Vorsitzende Jean-Maurice Ripert am Samstagabend (Ortszeit) in New York gleichwohl, es gebe eine "starke Übereinstimmung" bei den Mitgliedern, ihre ernsthafte Sorge über die Lage zu äußern. Die große Mehrheit verlange eine sofortige Waffenruhe.

Der amerikanische UN-Vertreter Alejandro Wolff betonte dagegen, es schade dem Ansehen der Sicherheitsrates, Forderungen zu stellen, die nachher nicht befolgt würden. Israel sei ein Mitglied der Weltgemeinschaft. Sein Vorgehen dürfe nicht mit Aktionen einer Terrorgruppe wie der Hamas verglichen werden. Der britische UN-Botschafter John Sawers nannte es "sehr enttäuschend", dass sich das 15-Staaten-Gremium nicht auf einen Kompromiss verständigen konnte. Angesichts der Zuspitzung der Lage müsse alles für eine Waffenruhe getan werden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "extrem beunruhigt" über die israelische Bodenoffensive und verlangte ihr sofortiges Ende. Mehrere UN-Diplomaten berichteten, die USA hätten sich während der Dirnglichkeitssitzung geweigert, die Forderung Libyens nach einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen zu unterstützen.

Nach israelischen Angaben konzentrieren sich die Truppen auf die Zerstörung von Raketen-Abschussrampen im Norden des Gaza-Streifens. Ziel des Einsatzes ist es, den ständigen Raketenbeschuss israelischer Grenzorte zu unterbinden. Doch auch in der Nacht zum Sonntag feuerten militante Palästinenser weiter Raketen auf Israel ab. Acht Kassam-Raketen und sieben Mörsergranaten seien in Israel eingeschlagen, sagte ein Militärsprecher.

Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak hatte am Samstagabend gesagt, Israel wolle mit aller Entschlossenheit vorgehen, um seine Ziele im Gaza-Streifen zu erreichen. Er kündigte "schwierige Tage" in der Region an. Weitere zehntausende Reservesoldaten seien für die Fortsetzung der vor einer Woche begonnenen Offensive "Gegossenes Blei" einberufen worden, meldeten israelische Medien.

Unabhängige und überprüfbare Angaben über Opfer lagen am Sonntag nicht vor. Vor Beginn der Bodenoffensive waren bei den Luftangriffen mehr als 460 Palästinenser ums Leben gekommen. Vier Israelis starben infolge palästinensischer Raketen.

Unterdessen gehen die internationalen Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt im Nahen Osten weiter. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an die islamischen Staaten, all ihren Einfluss für eine Beendigung der Raketenangriffe radikaler Palästinenser auf israelisches Territorium geltend zu machen. Dies allein könne den Weg für eine Waffenruhe öffnen, in der diplomatische Aktivitäten für eine politische Lösung des Konflikts ergriffen werden könnten, sagte Steinmeier nach Angaben seines Ministeriums in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen Ali Babacan.

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