Das Regime des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi hat angekündigt, seine Truppen aus der seit Wochen schwer umkämpften Stadt Misrata zurückzuziehen und den Stämmen der Region das Feld zu überlassen. "Die Lage in Misrata wird von den Stämmen in der Umgebung und den Menschen in Misrata geregelt, entweder mit Gewalt oder in Verhandlungen", sagte der stellvertretende Außenminister Khaled Kaim am späten Freitagabend.
Nach Kaims Angaben haben die Regierungstruppen von den Stammesführern einen Zeitrahmen gesetzt bekommen, den Aufstand niederzuschlagen. "Es gab ein Ultimatum für die libysche Armee: Wenn sie das Problem in Misrata nicht lösen, werden die Menschen aus (den benachbarten Ortschaften) Zliten, Tarhuna, Bani Walid und Tawargha dorthin gehen und mit den Rebellen reden", sagte Kaim. "Wenn sich diese nicht ergeben, werden sie mit ihnen kämpfen."
Unklar ist, ob der angekündigte Abzug zu einer Entspannung der Lage in der seit fast zwei Monaten von Regierungstruppen belagerten Stadt führt. Misrata ist die letzte große Stadt im Westen Libyens, die von den Aufständischen gehalten wird. In den vergangenen Tagen hatte es Anzeichen für Erfolge der Rebellen in der Enklave gegeben. So gaben sie die Eroberung eines wichtigen Gebäudes im Stadtzentrum bekannt, das Scharfschützen Gaddafis als Stützpunkt diente.
Rebellen bezweifeln angekündigten Truppenabzug
Ein Sprecher der Aufständischen in Bengasi reagierte mit Spott auf die Ankündigung Kaims. "Was sollen das für Stämme sein, die Gaddafi unterstützen?", fragte Ahmed Bani nach Berichten des US-Senders CNN. Dies Manöver zeige nur, dass Gaddafi versuche, sein Gesicht zu wahren. "Es bestätigt, dass unsere Rebellen Misrata befreit haben und dass Libyen noch immer aus einem Teil besteht und nicht aus zwei, wie Gaddafi es sich erhofft", sagte Bani. Wenn die Regierungstruppen Misrata verlassen, sei "das Spiel aus". Allerdings bezweifelte er, dass sie dies wirklich tun werden.
Misrata liegt rund 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis und ist die wichtigste Rebellenhochburg im Westen Libyens. Die drittgrößte libysche Stadt wird seit acht Wochen von den Truppen des Gaddafi-Regimes belagert. Die Versorgungslage ist katastrophal. Die dort von den Kämpfen eingeschlossenen Menschen können nur über den Seeweg mit Hilfsgütern beliefert werden.
US-Generalstabschef spricht von Patt-Situation
Unterdessen gingen die Luftangriffe auf Tripolis auch in der Nacht zum Samstag weiter. Nato-Kampfflieger beschossen am frühen Morgen ein Areal nahe des Amtssitzes Gaddafis in der Hauptstadt. Reportern der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sah das Ziel nach einem Bunker aus. Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim sprach dagegen von einem Angriff auf einen Parkplatz, bei dem drei Menschen getötet worden seien.
Nach Angaben von US-Generalstabschef Mike Mullen haben die westlichen Kampfflugzeuge den Bodentruppen der Regierung zwar schwere Verluste zugefügt. Zugleich äußerte er am Freitag aber die Einschätzung, dass die Kämpfe mit den Rebellen derzeit auf eine Patt-Situation hinausliefen. Mullens Stellvertreter James Cartwright hatte zuvor den Einsatz von bewaffneten Drohnen angekündigt, was auf den Beifall der Aufständischen stieß.