Ein politischer Triumph bei seinem jüngsten Besuch in den USA hat sich für den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon in der Heimat zur bitteren Niederlage verwandelt. Bei einer Urabstimmung über den Plan zur Räumung des Gazastreifens hat seine Likud-Partei ihm am Sonntag die Gefolgschaft verweigert. Sie zeigte damit auch US-Präsident George W. Bush, der Scharons Plan erst vor drei Wochen guthieß, die kalte Schulter.
Doch Scharon will sein Projekt nicht unter einem politischen "Erdrutsch" begraben lassen, wie das Ergebnis in Israel interpretiert wurde. Seine Gefolgsleute versicherten am Montag, der Plan werde trotzdem "unaufhaltsam" und mit "größten Anstrengungen" umgesetzt. Scharon selbst sagte im Parlament, er sei einem Weg zu Ruhe, Frieden und wirtschaftlichem Fortschritt verpflichtet.
Die Mehrheit des israelischen Volkes steht hinter ihm
"Es ist unmöglich, für mich und gegen den Plan zu sein", hatte er den 193 000 Likud-Mitgliedern angesichts schwindender Mehrheiten selbstbewusst erklärt. Denn die Mehrheit des israelischen Volkes steht nach Umfragen hinter ihm, wenn es um einen Abzug aus dem Gazastreifen geht.
Nun hat ihm ausgerechnet seine eigene Partei einen Strich durch die Rechnung gemacht und Scharon, einer der Väter der israelischen Siedlungspolitik, wirkt wie ein "Ministerpräsident ohne Partei". Dabei hatte er auf die Parteibasis gezählt, um ultrarechte Falken und Hardliner unter den Siedlern, die sich gegen eine Aufgabe jüdischer Siedlungen wehren, in die Schranken zu weisen. Sie lehnen den Plan, der die Räumung von Siedlungen und Armeeposten im Gazastreifen mit einem Ausbau der israelischen Präsenz im Westjordanland verknüpfen will, strikt ab. Sie werfen Scharon falsche Zugeständnisse an die Palästinenser vor. Diese müssten zunächst wirksam gegen terroristische Anschläge vorgehen.
Wie viel Kraft hat Scharon noch?
In Israel wird nun gerätselt, wie viel Kraft Scharon nach der Niederlage hat, seinen Plan umzusetzen, der zwar auch international umstritten ist, aber auch neue Bewegung in den nahöstlichen Friedensprozess bringen könnte. Als Optionen wurden eine Regierungsumbildung, eine Parlamentsentscheid über den Plan, vorzeitige Wahlen oder eine landesweite Volksabstimmung gehandelt. "Eine Sache ist klar für mich. Das israelische Volk hat mich nicht gewählt, um für vier Jahre die Hände in den Schoß zu legen", teilte Scharon selbst nach der Niederlage mit. "Ich weiß, dass die israelische Öffentlichkeit meinen Plan überwiegend unterstützt."
"Dieser rechtsgerichteten, nationalistischen Minderheit, die seit 30 Jahren erfolgreich die nationale Agenda diktiert, ist das Unmögliche gelungen", kommentierte die Zeitung "Jedioth Achronoth". Einem Plan, der von den USA und einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt werde, sei ein Bein gestellt worden. Scharon solle auf Kurs bleiben, forderte die Zeitung "Maariv". "Er hat diese Suppe eingebrockt, nun muss er sie in einem Zug schlucken, sich den Mund wischen, lächeln und weitermachen."