Die Bilder aus Butscha, wo Soldaten offenbar schwere Kriegsverbrechen an ukrainischen Zivilisten begangen haben, schockieren die westliche Welt. Nun gibt es Augenzeugenberichte von Menschen, die das Massaker überlebt haben. So erzählt Wladislaw Kozlowsky dem belarussischen TV-Sender "Belsat", wie er in Butscha miterleben musste, wie russische Soldaten Einwohner erschossen haben. Kozlowsky selbst wurde geschlagen und gefoltert, überlebte aber den Abzug der russischen Truppen.
"Am 2. März drangen die Besatzungstruppen in unsere Stadt ein", sagt der Ukrainer laut "Focus Online". "Allen, die keine Waffen hatten, wurde befohlen, sich in einem Luftschutzbunker zu verstecken." Doch die russischen Truppen hätten sie entdeckt und ihn und andere als Geiseln genommen. "Es gab kein Licht, kein Wasser, keine Wärme", so Kozlowsky. Immerhin hätten die Soldaten aber Essen gebracht.
"Menschen wegen tätowiertem Ukraine-Wappen erschossen"
Fünf Tage später sei eine andere Einheit gekommen. Diese russischen Soldaten hätten die Einwohner ausgeraubt und die Dokumente der Männer kontrolliert. Wer am ukrainischen Militäreinsatz im Donbass teilgenommen hatte oder zur Armee gehörte, sei sofort erschossen worden. Die Soldaten hätten auch Tätowierungen kontrolliert und nach "Nazis" gesucht. "Es wurden auch diejenigen erschossen, die das Wappen der Ukraine trugen", sagte Kozlowsky demnach. Die Soldaten hätten den Männern in den Kopf oder ins Herz geschossen. Kozlowsky sagt, er selbst sei nur verprügelt worden: einmal im Bunker und später noch einmal im Haus eines Freundes von einem wohl betrunkenen russischen Soldaten.
Kurz vor der Befreiung Butschas durch die ukrainische Armee hätten die berüchtigten Truppen des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, sogenannte Kadyrowiten Schrecken und Tod verbreitet: "In der letzten Woche sind sie von morgens an durch Wohngebiete gelaufen und haben auf jeden geschossen, den sie gesehen haben." Auch Kozlowskys Nachbar sei durch sie getötet worden: "Er war pensioniert, saß nur auf einer Bank." Zwei Männer hätten versucht, aus Butscha nach Irpin zu fliehen: "Ihre Leichen wurden wenige Tage später gefunden. Meinem Bekannten wurde in den Hinterkopf geschossen. Der andere wurde gefoltert, seine Wange herausgeschnitten."
In der britischen Zeitung "The Guardian" schildert ein anderer Bewohner den Tod eines Zivilisten in Butscha. Der 43-jährige Taras Shevchenko sagte der Zeitung: "Da war ein Großvater mit seiner Frau, sie wollten eine Straße überqueren, als sie von Soldaten gestoppt wurden." Weil der alte Mann freche Antworten gegeben habe, hätten sie ihn einfach erschossen. Die Frau hätten sie aufgefordert, weiterzugehen. "Als sie zu ihrem Mann geeilt ist und anfing zu weinen, haben sie gesagt: 'Wenn Du Dich dazulegen willst, können wir dich auch erschießen.' Als sie gesagt habe, sie müsse den Leichnam ihres Mannes mitnehmen, hätten die Soldaten sie aufgefordert, weiterzugehen. "Also ist sie weitergegangen", so Shevchenko. "Sie weinte und ging weiter."
Mann aus Butscha mit Kopfschuss hingerichtet
Eine andere Augenzeugin schildert in der "Bild" den Tod ihres Mannes in Butscha: "Es war der 5. März. Wir waren zu Hause in unserer Doppelhaushälfte. Plötzlich hörten wir eine Explosion: Sie zerstörten unser halbes Haus. Dann begannen sie, durch die Fenster zu schießen. 'Kommt raus', riefen sie", sagte demnach die 48-jährige Irina Abramova. Daraufhin sei ihr Ehemann Oleg hinausgegangen und habe gesagt: "Schießt nicht! Hier sind nur Zivilisten." Sie hätten sich als Russen vorgestellt, die gekommen seien, sie zu befreien.
Das Grauen von Butscha: die brutale Realität des Krieges

Als ihr Haus angefangen habe zu brennen, habe ihr Mann versucht, das Feuer zu löschen. "In dem Moment packten sie ihn, zogen ihm den Pullover ab, drückten ihn auf die Knie und schossen ihm in den Kopf", sagte Abramova der Zeitung. Dann sei sie verhört worden und habe sagen sollen, wo die Nazis seien. Sie habe die Soldaten aufgefordert, sie auch zu töten. Einer der Soldaten habe auf sie gezielt, aber dabei gesagt, er würde keine Frauen töten. Auch sie ist sicher, dass Kämpfer des tschetschenischen Präsidenten ihren Mann getötet haben. Sie hätten nicht wie Russen ausgesehen und mit Akzent gesprochen. Der Leichnam ihres Mannes habe dort gelegen, wo sie ihn erschossen haben, "bis wir sicher waren, dass die Soldaten weg waren."

Sehen Sie im Video: Russische Panzerbesatzung erschießt in Butscha offenbar unbewaffneten Radfahrer.
Quellen: "The Guardian", "Focus Online", "Bild.de".