Massengräber, mit Leichen übersäte Straßen und völlige Zerstörung: In der ukrainischen Kleinstadt Butscha bei Kiew zeigt sich die ungeschönte Seite des Krieges. Auf einer Straße der Pendlerstadt mit einst 27.000 Einwohnern sind alle paar Meter leblose Körper zu sehen. Ein Geländewagen mit ukrainischen Soldaten muss ständig ausweichen, wie Videos zeigen. Die dramatische Berichte und Aufnahmen aus mittlerweile von der ukrainischen Armee zurückeroberten Gebieten bei Kiew haben international für Entsetzen gesorgt.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte dem britischen Sender Times Radio, bei den Getöteten habe es sich weder um Guerilla-Kämpfer noch um Menschen gehandelt, die den Russen Widerstand geleistet hätten. Sie seien aus Ärger und reiner Mordlust getötet worden. Er fügte hinzu: "Russland ist schlimmer als der IS, Punkt."
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko spricht von Völkermord
EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich am Sonntag "erschüttert" über Bilder aus dem Ort und sprach von "Gräueltaten" und einem "Massaker". Bundeskanzler Olaf Scholz warf dem russischen Militär Verbrechen vor und forderte eine schonungslose Aufklärung. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte indes härtere Sanktionen gegen Russland und weitere Hilfen für das ukrainische Militär an.
Ukraines Außenminister Kuleba sprach von einem "absichtlichen Massaker" und bestand auf weiteren Sanktionen. "Die Russen wollen so viele Ukrainer wie möglich vernichten", schrieb er im Onlinedienst Twitter. Die russischen Streitkräfte hätten "eine totale Katastrophe und zahlreiche Gefahren" hinterlassen, schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Facebook. Er warnte vor vermintem Gebiet und weiteren Luftangriffen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von "Völkermord".

280 Menschen mussten offenbar in Massengräbern beerdigt werden
Die russische Armee hatte sich zuletzt in der Region um Kiew zurückgezogen. In Butscha wurden danach laut Angaben der ukrainischen Behörden fast 300 Leichen gefunden. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass zahlreiche Toten zivile Kleidung getragen hätten. Sie sahen auf einer einzigen Straße der Pendlerstadt mindestens 20 Leichen liegen. Mindestens einem der Toten waren die Hände gefesselt.
"Alle diese Menschen wurden erschossen", sagte Bürgermeister Anatoly Fedoruk. "Sie haben sie mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet." Es stünden Autos auf den Straßen, in denen "ganze Familien getötet wurden: Kinder, Frauen, Großmütter, Männer". Nach Angaben des Bürgermeisters mussten 280 Menschen in Butscha in Massengräbern beigesetzt werden, da die drei städtischen Friedhöfe noch in Reichweite des russischen Militärs lagen.