Menschen, die Mut machen Mohamed und die Kunst der Überredung

Von Tilman Wörtz
In der Adventszeit stellen wir jeden Tag einen Menschen vor, den sein Engagement für andere oder der Umgang mit dem eigenen Schicksal auszeichnet. Heute: Mohamed Conteh. Er versucht in Sierra Leone die Anbaumethoden der Bauern zu verbessern und Jugendlichen eine Ausbildung zu geben.

Mohamed Conteh ist ein großer Mann mit markanten Wangenknochen und scharf geschnittenen Lippen. Ein Typ, der immer von vielen Menschen umgeben ist und immer etwas zu entscheiden hat. Seine seit sieben Jahren von "Brot für die Welt" unterstützte Organisation Madam bringt zwei Dutzend Dörfern in Sierre Leone moderne Anbaumethoden bei, bildet Jugendliche zu Schmieden, Schneidern oder Schreinern aus und leitet eine Schule für Schulabbrecher.

Sierra Leone

Sierra Leone hat eine Arbeitslosenquote von schätzungsweise 70 Prozent und belegt auf dem UN-Entwicklungsindex den vorletzten Platz. Sechs Jahre nach Ende des Bürgerkrieges geht die wirtschaftliche Entwicklung nur langsam voran, umso mehr Hoffnung macht hingegen der Demokratisierungsprozess des westafrikanischen Landes.

Vor drei Jahren kam Madam zum ersten Mal nach Mabela, einem 600-Seelen-Flecken im Zentrum von Sierra Leone. Mehr noch als das Wissen der Agrarexperten ist hier Überredungskunst gefragt. Denn die Bauern tun sich mit gutem Rat schwer. "Ich kann nicht einfach zu ihnen sagen: Arbeite anders als Deine Vorfahren!", sagt Conteh und führt uns zu einem Maniokfeld, auf dem die Büschel chaotisch wachsen. Schon oft hat Madam den Bauern erklärt, dass sich die Setzlinge ihres Grundnahrungsmittels durch das chaotische Anpflanzen gegenseitig die Nährstoffe wegnehmen. Doch das Argument hat nicht gezogen.

Zwei Mal essen statt gar nicht

"Sät doch mal ein kleines Eckchen eurer Felder in Reihe und vergleicht es mit dem Rest des Feldes", hat Conteh deshalb vorgeschlagen. Die Bauern haben sich auf das Experiment eingelassen. Auf bereits der Hälfte der Felder stehen die Setzlinge nun in präzisen Reihen. Hat sich die Ernte verbessert? "Ja", sagt einer von ihnen. Um wie viel? "Den doppelten Ertrag." Dies bedeutet in der Trockenperiode zwei Mal am Tag zu essen, statt nur ein oder gar kein Mal.

Menschen, die Mut machen

Überall auf der Welt gibt es Menschen, die anderen helfen und in scheinbar ausweglosen Situationen Mut machen. Menschen, die oft selbst nichts besitzen, wegen ihres sozialen oder politischen Engagements bedroht werden und doch nicht aufgeben. Die deutsche evangelische Hilfsorganisation "Brot für die Welt" unterstützt diese Menschen. Mit Spenden und mit praktischer Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden unzählige Projekte auf allen Kontinenten. In diesem Jahr feiert die Organisation den 50. Jahrestag ihrer Gründung. stern.de stellt in einer Kooperation mit "Brot für die Welt" 24 Menschen vor, die von der Hilfe aus Deutschland profitiert haben - und nun selber zu Helfern geworden sind: Menschen, die Mut machen.

Zwanzig Dörfer unterstützt Madam bereits. Über dreißig Mitarbeiter fahren zu den Bauern auf die Felder hinaus und geben ihr Wissen weiter. Zum Beispiel über den Aufbau einer Samenbank, die das Dorf vom teuren jährlichen Samenkauf unabhängig macht. Oder über Bewässerungskanäle. Oder über den jährlichen Wechsel der Aussaat, damit die Fruchtbarkeit der Felder erhalten bleibt.

Die Erinnerung an Hunger motiviert

Was motiviert Conteh zu seiner Arbeit im ärmsten Land der Welt. Ist es seine Lebensgeschichte? Vermutlich. Conteh kommt aus dem Dorf Barina und hat Armut am eigenen Leib erfahren. Sechzehn Kilometer lief er jeden Tag zur Schule - barfuß. Sein erstes Paar Schuhe bekam er mit zwölf Jahren. Zu essen gab es meist nur Reis und Süßkartoffeln. Doch Mohameds Leben änderte sich, als ein Lehrer vom College in Makeni auf die Geistesgaben des Jungen aufmerksam wurde und ihm freie Kost und Logis anbot. So brachte es Mohamed als einziger Junge aus Barina bis zum Diplom an einer technischen Hochschule. Das Geld dafür verdiente er sich mit seiner Arbeit für eine Nichtregierungsorganisation. Er wollte sein Wissen nie für sich allein und gründete 1991 die Hilfsorganisation Madam. "Ich weiß, was Hunger ist", sagt er. "Die Erinnerung daran motiviert mich bei meiner Arbeit."