Menschen, die Mut machen Rufer in der westfälischen Wüste

In der Adventszeit stellen wir jeden Tag einen Menschen vor, den sein Engagement für andere oder der Umgang mit dem eigenen Schicksal auszeichnet. Heute: Wennemar Schweer. Der pensionierte Pfarrer aus Rheda-Wiedenbrück organisiert Spendenaktionen zugunsten von "Brot für die Welt" - und engagiert sich noch für ein halbes Dutzend weiterer Hilfsprojekte.
Von Jan Rübel

Eine Autofahrt mit Wennemar Schweer aus Rheda-Wiedenbrück ist ein Ausflug zu den Lastern der Menschheit. "Hier, die Möbelfirma Wonnemann. Mit denen hatten wir eine kleine Differenz." Holzeinschlag im Kongo, darüber war zu diskutieren. Oder der Bertelsmann-Buchclub: "Die servieren nicht einmal Fair-Trade-Kaffee". Vom Bahnhof ganz zu schweigen, und seinen Fenstern aus Tropenholz. "Ich bin so ein bisschen Moralist", lächelt Schweer, während er vor einer roten Ampel den Motor seines Kleinwagens abstellt.

Jeden mitnehmen, den er trifft

Wer von Wennemar Schweer liest, mag sich einen erhobenen moralischen Zeigefinger vorstellen. Einen Besserwisser, der auch mal gehörig nervt. Aber wenn der 67-jährige pensionierte Pfarrer spricht, dann klingt das ruhig und entspannt, gar ein wenig amüsiert über sich selbst. Schweer fährt konsequent durchs Leben und will jeden mitnehmen, den er trifft.

Da ist der Weltladen, den er führt. Oder die Kontaktgruppe für Menschen mit psychischen Problemen, die er leitet. Die Vormundschaft für einen geistig Behinderten. Die Arbeit für ethische Geldanlagen, der Stiftungsvorsitz für ein Altenheim, die Mitgliedschaft bei Greenpeace, "Rettet den Regenwald", Attac, "Südwind", der Gesellschaft für bedrohte Völker und der Linkspartei.

Menschen, die Mut machen

Überall auf der Welt gibt es Menschen, die anderen helfen und in scheinbar ausweglosen Situationen Mut machen. Menschen, die oft selbst nichts besitzen, wegen ihres sozialen oder politischen Engagements bedroht werden und doch nicht aufgeben. Das Hilfswerk der evangelischen Kirche Deutschlands, "Brot für die Welt", unterstützt diese Menschen. Mit Spenden und mit praktischer Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden unzählige Projekte auf allen Kontinenten. In diesem Jahr feiert die Organisation den 50. Jahrestag ihrer Gründung. stern.de stellt in einer Kooperation mit "Brot für die Welt" 26 Menschen vor, die von der Hilfe aus Deutschland profitiert haben - und nun selber zu Helfern geworden sind: zu Menschen, die Mut machen.

Dann erreicht der Wagen die Kreissparkasse Wiedenbrück. Wie jedes Jahr druckt das lokale Geldinstitut Spendenaufrufe für die "Aktion 3. Welt". Dabei klingelt Schweer zusammen mit rund 150 Ehrenamtlichen an Haustüren und bittet um "Gaben". Letztes Jahr hat der Basar 11.000 Euro für Tansania eingebracht.

Seit 1972, zwei Jahre nach seiner Einführung in das evangelische Pfarramt, sammelt er für Hilfsprojekte, darunter viele von "Brot für die Welt". 1,3 Millionen Euro sind seitdem zusammengekommen. "Brot für die Welt" kennt er seit 1958. Obwohl die Familie nicht viel Geld hatte, spendete sie für eine Aktion. Auch als in der Schulklasse gesammelt wurde, konnte Schweer nicht anders und steckte zwei Mark in die Spendenbüchse - die größte Einzelspende in der Klasse. "Das machte mich etwas stutzig", erinnert er sich.

Stichwort Evangelische Kirche

Die Evangelische Kirche betreibt eine ganze Reihe von Hilfsorganisationen verschiedenster Art im In- und Ausland: Von "Brot für die Welt", über die Diakonie-Katastrophenhilfe bis zur "Christoffel Blindenmission". Allein die Aktion "Brot für die Welt" hat in den 50 Jahren ihres Bestehens rund 1,8 Milliarden Euro an Spenden eingenommen.

Einmal rief er zum Aufstand auf. In einer Predigt forderte Schweer Widerstand gegen die vorherrschenden Wirtschaftsstrukturen - ein Rufer in der westfälischen Wüste. Und doch passt er so gut hierhin: in sein Wohnzimmer mit schwerem Eichenschrank samt Truhe und Holzuhr. Alles Erbstücke.

Manchmal erscheint die Wahrheit in den Augen Schweers als sehr einfach. "Unserem Land geht es so gut wie nie zuvor, man muss nur die vorhandenen Mittel gerechter verteilen." Heißt: Von den Reichen nehmen. Wirtschaftspolitik betreibt Schweer mit dem Lineal: einfach von hier nach dort.

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