Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine klare Unterstützung Deutschlands bei den Beitrittsbemühungen seines Landes zur Europäischen Union geworben.
Ein Beitritt der Türkei zur EU könne in der ganzen Welt ein Zeichen setzen, dass unterschiedliche Religionen mit universell gültigen Werten vereinbar seien, sagte Erdogan bei einem gemeinsamen traditionellen Abendmahl zum muslimischen Fastenbrechen mit Merkel in Istanbul. "Um Frieden in der Welt zu schaffen, müssen wir Europa zu einer globalen Macht machen und dabei kann die Türkei einen wichtigen Beitrag leisten", sagte er.
Bereits jetzt spiele die Türkei in der Nato eine wichtige und konstruktive Rolle: "Die gleiche Rolle wird sie auch in der EU spielen. Das wird für den Weltfrieden ebenso wichtig, wie unser Beitrag in der Nato es bereits ist." Er setze große Hoffnung in die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die im Januar beginnt, sagte Erdogan. Er hoffe, dass unter Merkels Führung der Prozess der Annäherung beschleunigt fortgeführt werde.
Merkel vorsichtig optimistisch
Im Streit mit der EU um eine faktische Anerkennung Zyperns schließt die Türkei eine Öffnung ihrer Häfen für zyprische Waren nicht mehr grundsätzlich aus. Sie pocht aber im Gegenzug auf eine Ende der "Isolation" des türkischen Nordteils der Insel. "Solange die Isolation (Nordzyperns) noch besteht, können wir die Öffnung der Flughäfen und Häfen nicht ermöglichen", sagte Tayyip Erdogan. "Das wäre nicht gerecht."
Merkel sagte, das Ankara-Protokoll, das eine Öffnung der Häfen und damit faktisch eine Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern vorsieht, müsse erfüllt werden. "Ich glaube, dass es selbstverständlich ist, dass, wenn Mitgliedstaaten in der EU miteinander kooperieren wollen, dazu auch freie Handelsbeziehungen, die Erreichbarkeit von Häfen und Flughäfen gehören." Vorsichtig optimistisch äußerte sich Merkel über einen neuen finnischen Vorschlag in dieser Frage.
In geheimen Verhandlungen mit Nikosia und Ankara bemüht sich die finnische EU-Ratspräsidentschaft, ein mögliches zyprisches Veto abzuwenden und damit ein "Entgleisen" des EU-Beitrittsprozesses der Türkei zum Ende dieses Jahres abzuwenden. Die EU-Kommission will am 8. November ihren Bericht zum Verlauf der Türkei-Verhandlungen vorlegen. Der EU-Gipfel befasst sich damit im Dezember.
"Zeit nehmen, einander zuzuhören"
Merkel sprach sich für einen konstruktiven Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen aus. "Wir müssen uns Zeit nehmen, einander zuzuhören und uns besser kennen zu lernen", sagte die Kanzlerin. "Als Partner haben wir ein besonderes Interesse an der Annäherung der Türkei an die Europäische Union", führte Merkel aus, ohne auf die Art der Anbindung einzugehen. Erdogan betonte, dass eine EU-Mitgliedschaft der Türkei "eine große Chance für beide Seiten und den Weltfrieden" sei. Der Welt würde damit ein Beispiel gegeben, dass verschiedene Religionen und Traditionen sehr wohl mit globalen Werten und Grundsätzen in Einklang zu bringen seien.
Merkel, die an diesem Freitag in Istanbul an einem deutsch-türkischen Wirtschaftsforum teilnimmt, hob die großen Erwartungen der deutschen Wirtschaft an einem Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Länder hervor. Laut BDI-Präsident Jürgen R. Thumann fordert die deutsche Industrie eine "nüchterne und sachliche Debatte" über die europäische Perspektive der Türkei. "In einem langfristig angelegten Projekt wie diesem sind oftmals innenpolitisch motivierte Aufgeregtheiten wenig hilfreich." Die deutsche Ausfuhr in die Türkei hat sich laut BDI in den letzten 10 Jahren mehr als verdreifacht, der Warenaustausch in 2005 einen neuen Höchstwert von über 21 Milliarden Euro erreicht.
Zum Abschluss ihres Türkei-Besuchs trifft sich Merkel mit religiösen Führern, auch der nichtmuslimischen Minderheiten. Defizite bei der Meinungs- und Religionsfreiheit gehören zu den Hauptpunkten der EU- Kritik am nachgelassenen Reformeifer der Türkei ein Jahr nach Aufnahme der Beitrittsverhandlungen.